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Vom Kaukasischen Emirat zum slawischen Wahhabiten

Zu den Terroranschlägen in Wolgograd

von Seepferd

Erneut wird Russland von Terroranschlägen erschüttert. Die Rede ist von den Selbstmordanschlägen im Süden des Landes, in Wolgograd. Man spricht bereits vom dritten Anschlag: der erste ereignete sich am 21. Oktober 2013 und nahm 6 Menschen das Leben, viele wurden verletzt. Der zweite war am 29. November – eine gewaltige Explosion im Wolgograder Bahnhof, der dritte – bereits am nächsten Tag, am 30. November, eine Bombe geht hoch in einem O’bus. Viele sterben, noch mehr werden verletzt. Die Stadt verwandelt sich in eine trauernde Hochsicherheitsburg, die Sylvester-Offiziösitäten werden abgesagt.

So spektakulär die Bilder, so hasserfüllt die Kommentare, so gewohnt ist inzwischen das Ganze. Es scheint manchmal, niemand hat etwas Wichtiges dazu zu sagen.(1) Klar, wollte man Reden voller Pathos schwingen, sollte man sich es lieber verkneifen. Der nicht-existente kritische Journalismus, die zertrampelte „Zivilgesellschaft“, die „progressiven Kräfte“, alle wirken sehr zurückhaltend. Warum? Wohl nicht nur aus Pietät, Mitleid oder Trauer. Es ist einfach schon alles gesagt worden – vor vielen Jahren. Es hat seit der 1. Tschetschenischen Kampagne 1994 nicht aufgehört zu krachen, das sind mittlerweile 20 Jahre. Dennoch werden manche Dinge sichtbarer, etwas ist seitdem auch anders geworden, einiges wird sich noch ändern.

Es stimmt allerdings nicht ganz, mit dem „Süden der Republik“. Und warum werden eigentlich so gerne nur Terroranschläge auf dem „russischen“ Boden aufgezählt? Plötzlich erinnert man sich: tatsächlich, im August 2004 explodierten zwei Passagierflugzeuge in der Luft über Tula und Rostow‐na‐Donu, März 2010 sprengen sich zwei Attentäterinnen in der Moskauer U-Bahn, Januar 2011 sprengte sich ein Terrorist im Moskauer Flughafen Domodedowo – um nur die bekanntesten Anschläge zu nennen. Es waren in diesen 20 Jahren um einiges mehr. Es kommt darauf an, an was man sich erinnern möchte und wo der „russische“ Boden beginnt. Nimmt man doch dazu den täglichen Ausnahmezustand in Dagestan, Tschetschenien und Inguschetien, all die bewaffneten Übergriffe, Entführungen usw., was in den polizeilichen Statistiken als organisierte Kriminalität und Banditismus, und eben nicht als Terrorismus geführt wird, verändert sich das Bild komplett.

Der Nordkaukasus, offensichtlich ein Gebiet, das für den russischen Staat von immenser geopolitischer und wirtschaftlicher Bedeutung ist. Davon abgesehen, dass dort die Pipelines liegen, durch die Öl und Gas vom Kaspischen‐ zum Schwarzen Meer transportiert wird, ist diese Region ein Schauplatz eines über 200 Jahre währenden Kolonialkrieges. Das Möchte‐gern‐immer‐noch‐Imperium verbeißt sich seitdem in Nordkaukasus, der unter den Zaren Alexander I. und Nikolai I. kolonisiert wurde. Würde dieses hauptsächlich von Muslimen bewohnte Gebiet von Russland abfallen, müsste sich Russland um andere kolonisierten, nicht‐christlichen, nicht slawisch besiedelten Gebiete ernsthafte Sorgen machen. Denn, was ist Russland eigentlich sonst, als ein einziges kolonisiertes Gebiet, das jeder Zeit platzen könnte? Nur die Kolonien sind nicht irgendwo über dem Meer, sondern sind „angeschlossen“, sind Teil der Metropole selbst. Daher auch die schizophrene Wahrnehmung der Region in den letzten Jahren: in den kaukasischen Republiken hat es nie aufgehört zu knallen – man weiß es aus Nachrichten, es gehört fast schon zum Hintergrundrauschen – und zwar aus dem Grund, dass dieser Boden, mit aller Gewalt, auch „russisch“ sein soll. Und dennoch werden sie von etwa einem Drittel der Bevölkerung eben als „nicht Russland“ wahrgenommen.(2)

Daher auch eine sehr merkwürdige Tendenz – merkwürdig angesichts des immer noch weit verbreiteten, aus der Sowjetzeit überlieferten Antisemitismus und Antizionismus in der russischen Gesellschaft – sich womöglich Erfahrungen zu bedienen, die der Staat Israel mit seinen Terroristen gemacht hat. Zu den Vorschlägen, eine dichte Mauer um die unzivilisierte Region zu errichten, die seit jeher ertönen, kommt auch das Interesse an der Arbeit eines psychologischen Notdienstes hinzu, welcher Opfer von Terroranschlägen und deren Familienangehörigen betreut.(3)

Die Parallele ist außerdem insofern von Interesse, als der Charakter des Krieges sich vor einigen Jahren radikal geändert hat. Dies hier ist zwar nicht die Stelle, um die Genese dieses Krieges, also der 1. und der 2. Tschetschenischen Kampagne und den „polizeilichen Maßnahmen“, die eine Fortsetzung des Krieges darstellen, dennoch sind ein paar Worte darüber nötig. Konnte man z.B. Dschochar Dudajew, dem ersten Präsidenten der international nicht anerkannten Tschetschenischen Republik Itschkeria (TRI), dem ehemaligen General der sowjetischen Armee, der im Afghanistan‐Krieg kämpfte, nach dem missglückten Moskauer Putsch 1991 die Lage nutzen wollte und sich an die Spitze der nationalistischen tschetschenischen Bewegung stellte, keine besonders ausgeprägte Gläubigkeit unterstellen(4); sein wohl wichtigster Warlord, Schamil Bassajew, kam erst nach der 1. Tschetschenischen Kampagne mit Wahhabismus in Berührung, doch sein erster offener Brief an Putin lässt vermuten, dass er sich durchaus nationalistisch, wenn nicht mit einem unabhängigen Staat, dann auch mit einem Autonomiestatus zufrieden gegeben hätte. Wie auch immer, die letzten, sich halbwegs noch staatsmännisch gebenden „Politiker“ und „Generäle“ der TRI sind nun beseitigt. Anfang bis Mitte 2000er beseitigte man allerdings auch solche Abgesandte aus Saudi Arabien und Jordanien, wie al-Chattab, Abu l-Walid oder al-Dscharach, die Mitte 90er auftauchten, Geld, Connections und im afghanischen Krieg geschulte Kader mitbrachten. 2006 – 2007 verliert das Projekt der tschetschenischen Staatsgründung seinen letzten Anschein der Säkularität. Doku Umarow löst die de facto längst abgeschaffte TRI auf und erklärt sich zum Emir des Kaukasischen Emirats. Die polizeilich-vasallischen Funktionen übernahm der Clan von Achmat Kadyrow,(5) die islamistischen Gotteskrieger, die nebenbei gerne gegen den traditionellen milden Suffismus kämpfen,(6) werden aus der Republik in die gesamte Region hinaus gedrängt. Im Juli 2013 ruft Umarow seine Anhänger auf, die „satanische“(7) Olympiade in Sotschi „mit allen Methoden, die Allah zulässt“ zu verhindern.(8)

Vor diesem Hintergrund erweist sich die alte Leier, von wegen „die äußeren Feinde Russlands“ zögen an den Drähten, als großrussisch-paranoider Unfug.(9) Eine andere gute alte Verschwörungstheorie, der FSB inszeniere die Anschläge aus politischem Kalkül oder als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, sind freilich nicht ohne Grund in der Welt: hat sich doch der Geheimdienst 1999 mindestens ein mal, in Rjasan, dabei erwischen lassen.(10) Doch wäre so was heute erstens nicht nötig und zweitens sind die Tschekisten nicht so hirnlos, dass sie dabei selbst drauf gehen.

In diesem Paranoia-Storm gibt es allerdings mehr erwähnenswerte Konstruktionen. Die Anschläge wären eine Art Vergeltung für die Syrien‐Politik des Kremls. Moskau hält bekanntermaßen zu Assad und die Verhinderung der UNO-Resolutionen und militärischer Intervention wird im Lande als diplomatische Stärke angesehen.(11) Die Verbindung zwischen dem Kaukasischen Emirat und einflussreichen Gruppen im Nahen Osten und in den Staaten des Persischen Golfs lässt sich zwar nicht leugnen, mündet in diesem Kontext allerdings in das Gerede vom „islamischen Projekt, das von außen aufgezwungen wird“.(12) Man muss es aber nicht mehr „von außen aufzwingen“

Hier hat sich das russische Außenministerium zu etwas Ungewöhnlichem hinreißen lassen. Am 30.12.2013 verurteilte es im harschen Ton – und gegen die traditionell gepflegte Freundschaft zu Hamas – Anschläge in Wolgograd, in den USA, in Syrien, im Irak, Libyen, Afghanistan und Nigeria, die „nach einheitlichen Muster organisiert und von denselben Personen inspiriert sind“.(13)

So äußerlich ist diese Islam‐Sorte Russland nicht. Ich könnte zwar auf einen „öffentlichen Intellektuellen“, einen bedeutenden Eurasisten, Mitglied des Islamischen Kommittes Russlands und des Popular Arab and Islamic Congress, einen Mitbegründer der „Linken Front“ (sic!), der gerne den globalen Djihadismus für den zeitgemäßen Leninismus erklärt, nämlich auf Geydar Dzhemal verweisen. Doch die Anschläge von Wolgograd führten einen neuen Akteur‐Typus auf die Bühne: den so genannten „slawischen Wahhabit“, der womöglich von der „russischen Seele“ etwas offenbart, was die Damen und Herren Eurasisten nicht gerne gesehen hätten. Dmitry Sokolow, der mutmaßlich hinter dem Anschlag am 21.10.2013 stand, und Pawel Petschjonkin, für die Explosion im Bahnhof am 29.12.2013 verantwortlich, überfordern gerade die russische Öffentlichkeit. Es wäre sicherlich immens wichtig, dieses Phänomen psychologisch zu sezieren, würde aber den Rahmen dieses Artikels sprengen. Es wäre die Aufgabe der russischen Linken, die kein clowneskes Anhängsel der Gesellschaft mehr sein will. Dennoch scheint mir, dass nach über 20 Jahren chauvinistisch-patriotischer Erziehung, nach der aggressiven Klerikalisierung des Bildungswesens und des Kulturbetriebes, nach gesetzlich verordneter Homophobie und patriarchalem Familienbild, nach katastrophischer Verbürgerlichung und Individualisierung der Gesellschaft, traditionellem Antiliberalismus und Antiamerikanismus, das irre gewordene Subjekt sich auf die Suche nach Halt und Geborgenheit begibt und sie in Hass auf das „Andere“, Mord und Tod findet. „Der Islam als seelische Zuflucht der deformierten Überflüssigen: Nur so ist zu erklären, warum gerade in Zeiten der Krise diese Religion im Westen wie im Orient einen Zulauf hat wie keine andere“.(14) Der „russische Islamist“ wäre demzufolge das komplementäres Gegenstück zum brutal mordenden und „für die weiße Rasse“ in die Hölle des Gefängnis‐Systems absteigenden russischen Neonazi; genau wie dieser ist er das authentische Kind der Verhältnisse.

Die hämischen Rufe von rechts, dass Petschjonkin kein Russe, also kein Slawe, sondern Marijer oder Tatare war, werden nichts daran ändern – ein „Russländer“ war er allemal. Insofern auch kein Machwerk böser, dunkler Mächte, die das ansonsten perfekte Land in den Abgrund stoßen wollen.

Schauen wir uns an, was passiert. Seit Jahren zeichnen sich zwei grundlegende Tendenzen in der russischen Gesellschaft ab: die zunehmende Unsicherheit infolge der wirtschaftlichen Rezession und eine Fremdenfeindlichkeit, die sich in allen Schichten breit macht. Nach dem kurzen, durch hohe Ölpreise auf dem Weltmarkt bedingten Aufblühen der Wirtschaft stellt sich das Gefühl ein, dass diese oft mit der Epoche Breschnews verglichene Stabilität nun zu Ende ist. Oktober 2013, bereits nach den Ausschreitungen in Birjulewo,(15) unterstützten 66% der Bevölkerung die Parole „Russland den Russen“, 70–80% können durchaus als xenophob bezeichnet werden. Immer mehr Menschen glauben, dass man den Aufenthalt von KaukasierInnen, ChinesInnen und ZigeunerInnen in Russland einschränken müsste. Der Chef des Lewada‐Zentrums, Lew Gudkow, erklärt es mit der verdrängten Aggression: Unmöglichkeit, den erwünschten Lebensstandard zu erreichen, das Ausgeliefertsein gegenüber der Willkür der Behörden, Mangel an Perspektiven – der Zorn wendet sich gegen die Gastarbeiter. Die staatlichen Institutionen verlieren allmählich ihre Legitimität, was Gudkow zum Schluss bringt, dass es gegebenfalls sehr leicht zu einer unkontrollierbaren Gewaltwelle kommen kann.(16) Was nicht zuletzt für den Hass auf KaukasierInnen konstitutiv ist, ist allerdings das sichere, aber verdrängte Wissen darum, dass der Krieg im Kaukasus nicht gerecht ist. Das Lewada‐Zentrum spricht davon, dass die Gesellschaft dissoziiert und innerlich zerfällt.(17)

Es ist bezeichnend, dass die Linke dazu nichts Vernünftiges zu sagen hat. Wenigstens da hat die verfemte Linke die Gelegenheit zu beweisen, dass sie ebenfalls ein echtes Kind ihres Landes ist. So äußern sich rabkor.ru und sensus novus, beide rosa‐rote Analyse‐ und Nachrichtenportale, dazu gar nicht. Die Konföderation revolutionärer Anarcho-Syndikalisten, die den Aufständen des „Arabischen Frühlings“ Islamismus und Gegenrevolution immer leidenschaftlich nachwies, bekommt nicht einmal ein laues „arbeitende Menschen als Kanonenfutter für Kapitalisten blabla“ raus. Ihre nicht weniger unappetitliche Abspaltung, die MPST, schürt wenigstens die Verschwörungstheorien und weiß an die Geschehenisse in Rjazan 1999 zu erinnern.(18) Die autoritäreren GenossInnen schweigen ebenfalls. Die umtriebig‐ aktivistische Autonome Aktion entblödete sich nicht einer pubertären Diskussion über Sinn und Unsinn des revolutionären Terrors und wie der Islamismus die revolutionäre Gewalt diskreditiert.(19) Wer allerdings noch Worte findet, zeigt sich mitten in der vorherrschenden begriffslosen Hysterie wenigstens als sprachlich begabt, so z.B. die trotzkistische (CWI) Russlandische‐Sozialistische‐Bewegung: „Das Regime Putin kam an die Macht unter der Parole der ‚Wahrung territorialer Integrität Russlands.‘. Aber nach Jahren voller blutiger Ereignisse sind wir in der Situation, wo von der ‚Einheit‘ des Nordkaukasus mit dem restlichen Russland, außer der territorialen, keine Rede sein kann. (…) Faktisch, das Resultat zweier Jahrzehnte des ‚Kampfes gegen Separatismus‘ ist die Zunahme der Stimmungen im Zentralrussland für die Abtrennung nordkaukasischer Republiken (…). Diese Tendenzen machen der Regierung offensichtlich so viele Sorgen, dass diese es für nötig hielt, ein Gesetz zu verabschieden, welches die Strafe für separatistische Propaganda verschärft“. Was als eine treffliche Feststellung anfängt, muss traditionsbewusst in einem Plädoyer für das Selbstbestimmungsrecht der Völker enden.(20)

Die radikal pro‐separatistischen Positionen, wie einst von der Assoziation der anarchistischen Bewegungen (ADA) vertreten – alles, was das Imperium zersetzt, müsse unterstützt werden; der immer währende koloniale Krieg müsse zum Bürgerkrieg gemacht werden, aus seiner sozialen Komponente würde sich alsdann die Revolution entwickeln(21) – vertritt niemand mehr. Die Zeit, wo man sich so etwas überhaupt noch hätte denken können, ist vorbei. Das damals naiv erhoffte revolutionäre Subjekt ist dabei, selbst den Gedanken an Menschlichkeit abzuschaffen. Was aber seitdem immer noch da ist: eine müde, zertrampelte Gesellschaft und ein Staat, der nicht mehr anders kann als sich eifrig zu delegitimieren und auf seinen Zerfall hin zu arbeiten. Daher steht die schmerzhafte Frage immer noch im Raum: wann ist es so weit und was passiert dann?

Anmerkungen
1) Stanislaw Apetjan registrierte anlässlich des „ersten“ Anschlags in Wolgograd, dass die russische Öffentlichkeit weit kühler darauf reagierte als z.B. auf den Anschlag in Boston: http://vz.ru/opinions/2013/10/21/655931.html
2) So der Chef des soziologischen Forschungszentrum Lewada Lew Gudkow in einem Interview über Xenophobie und Pogromstimmungen: http://www.levada.ru/25-10-2013/glava-levada-tsentra-rossiya-nakhoditsya-v-predpogromnom-sostoyanii-vopros-lish-gde-rvane
3) Alex Gerschanow im Radio Komsomolskaja Prawda: http://www.kp.ru/online/news/1624341/
4) Sein Lebenswerk wurde bezeichnenderweise von anderen zentrifugierenden Provinzen des sowjetischen Imperiums gewürdigt: so wurden Straßen, Alleen u.Ä. in Riga, Vilnius, Warschau, Lwiw und Goražde nach ihm benannt.
5) Jetzt regiert sein Sohn, Ramzan, der für das Regime Putins bei den Präsidentschaftswahlen 2012 auch mal 99,7% der Stimmen organisieren konnte. Im verwüsteten und um ein drittel der Bevölkerung gelichteten Tschetschenien!
6) So werden z.B. in Dagestan systematisch sufistische Scheichs ermordet: im Oktober 2011, August 2013, August 2013, um nur einige zu nennen. http://lenta.ru/news/2013/08/04/killed/
7) Als gäbe es nicht weit vernünftigere Gründe, diese Olympiade als „satanisch“ zu bezeichnen.
8) http://www.chaskor.ru/news/doku_umarov_prizval_boevikov_sorvat_olimpiadu_v_sochi_32726
9) Gerne beschäftigt man sich mit dem Kampf gegen den alten Erz-Feind Amerika und seine alles Gute zersetzenden Werte, ist man doch (fast offiziell) der letzte Verteidiger der eurasischen Kultur gegen den atlantischen Modernismus. Politiloge Sergej Markow dazu: „All diese Anschläge sind sowohl die Vorbereitung zu den Terroranschlägen auf die Olympiade, als auch ein Versuch, eine Absage verschiedener Länder der Teilnahme an olympischen Spielen in Sotschi zu provozieren. So landeten McCain, unsere Terroristen und radikale Opposition im selben Lager. Das ist kein Zufall, was sie eint ist die Russophobie“. Lässt man Herrn McCain aus, wird hier unter Anderem pro-westlicher Liberalismus für russophob erklärt. http://actualcomment.ru/theme/2854 Der hier bereits zitierte Experte, S. Apetjan kommt zu spannenden Schlüssen: „Ach ja, in autoritären Staaten mit Einparteien-Systemen ist die Anzahl der Terroranschläge wesentlich geringer als in Demokratien (das ist, für alle Fälle, aus der jüngsten Studie des American Journal of Political Science). Na, lasst uns installieren?“ http://actualcomment.ru/daycomment/1129/ Auch hier ist der Wunsch der Vater des Gedanken.
10) Zumindest die darauf folgende Anschlagserie in Moskau, Wolgodonsk und Bujnaksk diente als Anlass zur 2. Tschetschischen Kampagne. Vgl. „Blowing Up Russia“ (2007), einer der Autoren ist übrigens Alexander Litvinenko, darf ich erinnern?
11) Neben der routinierten Hetze gegen Liberale und die „kreative Klasse“, wird die saudische Spur vermutet. „…die Sicherheit der Olympiade in Sotschi hängt von der Position Russlands in der syrischen Frage. Wie bekannt ist, haben wir Syrien abgetrotzt“. http://www.vz.ru/columns/2013/12/30/666601.html
12) So der „Militärexperte“ M. Schurygin: http://actualcomment.ru/theme/2854
13) http://www.mid.ru/brp_4.nsf/newsline/C4417D6FEFDC741344257C51004A36AB
14) Natascha Wilting: „Die Lust an der Unlust oder warum der Islam so attraktiv ist“, in: Mit Freud, Renate Göllner und Ljiljana Radonic (Hg.), Freiburg, 2007
15) Ich verweise gerne an Ute Weinman, „Mit Füßen gtreten“, in: Jungle World Nr. 43, 24.10.13; oder http://utka.noblogs.org/post/2013/10/25/mit-fusen-getreten/
16) http://www.levada.ru/02-12-2013/intervyu-na-porokhovoi-bochke
17) http://www.levada.ru/12-11-2013/svoi-chuzhie-i-raspad
18) http://mpst.org/socialnye-problemy/rossiyskie-vlasti-i-borba-s-terrorizmom/
19) http://avtonom.org/freenews/o-terrorizme-0
20) http://anticapitalist.ru/analiz/diskucsii/myi_vse_%E2%80%93_zalozhniki_kolonialnyix_kompleksov_vlasti.html#.Us7n6vHztTM
21) Siehe dazu z.B. Pjotr Rauschs „Den Krieg wollen nur die Politiker“: http://liberadio.noblogs.org/?p=593

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Von der Einheit der ukrainischen Nation

von Shiitman

Dies ist der zweite Abdruck aus dem Heft 1/2014. Wer es nicht bekommen hat, soll sich melden. Irgendwann bekommt man auch eine Antwort, versprochen!

Die bei den Liberalen so geliebte Rhetorik „der Einheit und Konsolidierung der Nation“ ist genau so schädlich und gefährlich, wie die offen nazistische Rhetorik der „Swoboda“, wie die imperiale Nekromantie der „russischen Welt“.
Gerade das unüberwindbare Schisma zwischen den ukrainischen Rechten rettet uns in vieler Hinsicht vor jenem Niveau der Reaktion, die gerade Russland überflutet. Haben einmal die Anhänger Stalins und die von Bandera aufgehört, einander die Kehlen durchzubeißen, werden sie uns doppeltem Enthusiasmus uns an die Gurgel springen. Haben pro-ukrainische und pro-russische Faschos ihre Reibereien beigelegt und auf die für einander beleidigenden Symbole einmal verzichtet, werden sie sich im Kampf für Traditionelle Werte und einen Starken Staat ekstatisch vereinigen. Haben Bischöfe des Kiewer und des Moskauer Patriarchats ihre Fehden einmal vergessen, werden wir uns endgültig vom Säkularismus verabschieden müssen. Haben die Gespenster der Galizischer Division SS und Sperrtrupps des NKWD einmal aufgehört, einander in ihrem ewigen und sinnlosen Ringen zu schinden – wird dieses vereinigte Vampirenheer uns heimsuchen.
Bei all meinem Hass auf Nazis – ich fühle mich viel sicherer, wenn sie offen unter dem Hakenkreuz oder dem Imperialbanner auftreten, wenn sie Fackelmärsche für Bandera oder die UPA (Ukrainische Aufständische Armee) veranstalten, als wenn sie sich auf blau-gelbe Fahnen und das Singen der Nationalhymne beschränken. Solange Anarchisten schwach und zersplittert sind, ist uns alles günstig, was die Einheit der Reaktion schwächt: sowohl ökonomisch, als auch politisch oder kulturell. Wir begrüßen jegliche zentrifugalen Kräfte.
Die wirkliche Einheit des Landes ist der ewige Janukowytsch mit Irina Farion als Ideologin, es ist der ukrainisirte Dmytro Tabatschnyk, der Studentenschädel auf der Suche nach einem echt-slawischen abmisst, es ist der zweiköpfige und vierarmige Patriarch, der jeden Park mit einer kleinen Kirche und jedes Klassenzimmer mit einem Kruzifix schmücken wird, und wer’s nicht mag, dem wird das Grab geschmückt; die Einheit des Landes ist die durch die Einheit von Regierung und Oligarchat garantierte langjährige politische Stagnation, es ist das Lynchen von Drogenabhängigen und LGBT, es ist die gesetzlich verordnete Xenophobie, es ist der 12-Stunden-Arbeitstag und Streikverbot, es ist all das, wovon gleichermaßen die Regierung und die Opposition träumen.
Es gibt nichts Schrecklicheres für die Ukraine als die „nationale Einheit“. Ausgerechnet die Zersplitterung und Zerwürfnis retten das Land davor, auch zu jenem braunen Sumpf zu verkommen, zu dem Belarus und Russland bereits geworden sind.
Tod der Nation! Hoch lebe der Feind! Смерть нації!Слава ворогам!
http://nihilist.li

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Vorläufiges und Verspätetes zur Ukraine

von Seepferd

 

ZACHEDRYNSKIJ Und ich sage, das ist ein schlechtes Zeichen. Solange sie auf dem Weg waren, gab es ein Gleichgewicht in der Natur. Naja, vielleicht nicht in der Natur, aber in Russland. Sie wollten und wollten wegfahren, aber sie fuhren nicht weg. Aber jetzt, wo sie wegfahren, heißt es, dass irgendwas passiert.

TSCHELSOW Was?

ZACHEDRYNSKIJ Das ist es ja gerade, dass wir das nicht wissen. Aber es passiert ganz sicher was.

TSCHELSOW Steht was in der Zeitung?

ZACHEDRYNSKIJ Natürlich. In Australien hat man ein außergewöhnlich kleines Straußenei gefunden.

TSCHELSOW Das meine ich nicht, ich meine die Politik.

ZACHEDRYNSKIJ Auf dem Balkan ist es irgendwie ungewiss.

TSCHELSOW Und was ist mit diesem Kometen?

ZACHEDRYNSKIJ Sie meinen den Halley? Der kommt näher.

TSCHELSOW Das gefällt mir nicht.

 

Liebe auf der Krim“, Sławomir Mrożek

 

 

 

1.

Was in der Ukraine zur Zeit passiert ist allgemein bekannt. Nur verstehen tut das niemand, nicht ein mal die Menschen, die mitten in dieser Ungewissheit und Unübersichtlichkeit doch noch weiter leben und handeln müssen. Noch im Herbst 2013 konnte man mit Sicherheit sagen, die Lage sei gespannt, die Wirtschaft am Arsch, die Politik – selten so deutlich wie in der Ukraine damals – ein Zirkus, der von der Bevölkerung nur noch mit genervter Apathie wahrgenommen wird. Aber mehr nicht. Bekanntlich krachte es dann im November in Kiew nach dem bereits erprobten Muster der „Orangenen Revolution“, nur mit deutlich aggressiveren, nationalistischen Untertönen. Die friedlichen, eben in der glorreichen ukrainischen Tradition der Masseninszenierungen auf dem Maidan, sich eher auf die symbolische Politik beschränkenden Proteste hätten vermutlich eher früher als später allmählich aufgehört, hätte die Spezialeinheit der Polizei „Berkut“ die Versammlung am 30. November nicht brutal angegriffen – um die Aufstellung eines Tannenbaums für den Silvester zu ermöglichen. Das war tatsächlich der Punkt, wo es nicht nur für den militanten Arm der Nationalisten – diese hatten sich lange davor noch auf eine Konfrontation vorbereitet – an der Zeit war, sich zu Wort zu melden, sondern auch für alle Demokratiebewegten, die der postsowjetischen Misere überdrüssig waren, die Selbstdiskreditierung der Regierung Janukowitsch zu nutzen und die Machtfrage zu stellen.

 

Die Schilderung der nachfolgender Geschehnisse ersparen wir uns, darüber wurde zur Genüge berichtet. Man wusste aber nicht – oder andererseits, wusste man unwissenderweise sehr wohl – wie man auf jenen makabren Zusammenschluss von Demokraten und Neonazis zu reagieren hätte, vor allen unter den erklärten Feinden des Bestehenden. So richtig es war, dass die Neonazis auf dem Kiewer Maidan als stärkste und am meisten organisierte Kraft die führende Rolle übernahmen und hohe und wohlwollende Aufmerksamkeit – vor allem auch westlicher – Medien genossen, so richtig ist es ebenfalls, dass es woanders, z.B. in Charkow oder im Osten des Landes durchaus anders war. Ebenfalls richtig war es auch, dass auch in Kiew die progressiven / linken (wenn auch die gemäßigten, sozial-demokratischen) Kräfte präsent waren und den Neonazis ihre Hegemonie strittig gemacht haben. (1) Die notwendig ideologische Beschränktheit der Proteste lässt sich nicht leugnen – sie ist in der Geschichte des Landes, im daraus resultierenden verkrüppelten Zustand ukrainischer Linken begründet. Es stimmt wohl, die meisten Menschen gingen auf die Straße nach einem langen, zwangsverordneten lethargischen Schlaf, für – nicht mehr und nicht weniger – einfach ein gutes Leben. Dass dieses Leben in einer postsojewitscher, chronisch krisenhaften Gesellschaft sich immer noch auf eine „gut funktionierende Marktwirtschaft“ und „einen demokratischen Staat“ reimen soll, dürfte doch bekannt sein – das wäre zumindest anzunehmen. Aber anscheinend doch nicht. Dies hier soll kein Plädoyer für eine Querfront-Politik sein. Wie schnell jedoch die deutschen „Radikalen“ die progressiven Kräfte in diesem tragischen Schlamassel aufgegeben haben, ist bezeichnend. (2) Ja, der Kommunismus wird das nicht so schnell, die kleinen Lenins dürfen ihre Köfferchen wieder auspacken und abwarten, wann sie endlich mit Triumph ins Land einreisen dürfen.

 

2.

Das Krim-Referendum vom 17. März 2014 erschwerte die Lage in vielfacher Sicht. Die Halbinsel Krim, nicht weniger multinational als der Rest der Ukraine, wurde vorsichtshalber von russischen Streitkräften, die die ominösen Selbstverteidigungsmilizen der russischen Bevölkerung in der Region gespielt haben unter Beteiligung der zu dem Zeitpunkt in der (West-)Ukraine bereits aufgelösten Berkut-Einheiten, annektiert. (3) Selbstverständlich, hatte die Annexion nichts mit dem Schutz der russischsprachigen Bevölkerung zu tun, die Militärbase hätte Russland auch so behalten dürfen (außerdem nützt sie aus weltpolitischer Sicht nicht viel, weil die Türkei am Bosporus sitzt). Warum also der Kreml sich auf dieses mittelfristig wirtschaftlich und politisch ruinöses Abenteuer eingelassen hat, ist nicht ersichtlich. (21) Die Halbinsel ist größtenteils finanziell wie infrastrukturell von der Ukraine abhängig, sollte der Konflikt weiter auf dem Rücken der Krimbevölkerung ausgetragen werden, kann man sich sicher sein, das Tourismusgeschäft wird der Krim nachhaltig vermasselt. Man kann natürlich eine Pipeline und eine Brücke von Sotschi zur Krim bauen, sprich noch so eine ertragreiche „Umverteilung“ des staatlichen Budgets wie der Bau der Einrichtungen für die Olympischen Spiele anstoßen. Deswegen lässt man jedoch so dreist die Waffen nicht klirren. Die Diskussionen, wann und wem und vom wem die Krim „geschenkt“ wurde, sind schlicht Unfug.

 

Die Gründe werden, zum Einen, geopolitischer Natur sein: es ist nicht wirklich eine Reaktion auf den Nato-Vorstoß gen Osten (denn die Ukraine kooperiert mit der Nato bereits seit 1997), aber sehr wohl eine präventive polizeiliche Maßnahme gegen mögliches Umschlagen der nationalistischen Proteste in soziale und deren Ausbreitung auf dem russischen Territorium. Zum Anderen – offensichtlich hat Moskau innenpolitisch wieder mal einen „kleinen glorreichen Krieg“ wie den in Tschetschenien und Südossetien nötig. Im Zweifelsfall die Unzufriedenheit und Unsicherheit der Bevölkerung in Chauvinismus und postsowjetischen Revanchismus umlenken und das Ansehen der Staatsmacht sichern – das hat in Russland immer wieder funktioniert und wird vermutlich noch lange so funktionieren. Interessanterweise hat diese Finte außer der konservativen, „pseudo-monarchistischen“ auch eine „linke“, neo-stalinistische Seite, die sich naiverweise die Wiederherstellung der UdSSR verspricht. (4) Und sieh an, es funktioniert: die aktuelle Entwicklung im Osten der Ukraine schweißt „das Volk“ tatsächlich um den Kreml zusammen. (22)

 

Die Bevölkerung der Krim hat sich angeblich mehrheitlich für den Beitritt zu Russischen Föderation ausgesprochen. Es ist wiederum nicht ganz klar, was jetzt mit den dort lebenden UkrainerInnen sein soll. Die Krim-Tataren jedoch haben alle Gründe den russischen Staat nicht zu mögen, in der ansonsten sehr friedfertigen muslimischen Gemeinde auf der Krim macht sich mittlerweile der Djihadismus breit und ertönen Hilferufe an den tschetschenischen „Emir“ Doku Umarow. (23) Dass die meisten Krim-RussInnen weg vom ukrainischen Staat und hin zum russischen wollen, ist nicht verwunderlich. Vor die Aussicht gestellt, am Rande der kriselnden EU etwa als neues Rumänien oder Bulgarien zu vegetieren, entscheiden sich viele für das autoritäre, aber scheinbar wirtschaftlich stabilere Russland. Ob das wirklich so stimmt, spielt anscheinend bei solchen national-affektierten Entscheidungen wohl keine Rolle. Der Staat verteilt gerne medienwirksam russische Pässe, bildlich gesprochen – praktisch direkt von den Schützenpanzerwägen, wie er das schon mal in Südossetien und Abchasien tat. Die ethnisch russischen Flüchtlinge aus Kasachstan, baltischen Staaten und anderen ehemaligen Sojewtrepubliken dürfen weiter darauf warten. Russland hat keine Ahnung, was es eigentlich mit der Krim soll. (5)

 

Aber ein Prozess in der ukrainischen Gesellschaft, der nicht unwichtig ist, wurde durch das (para)militärische Eingreifen Russlands verhindert: der, der mit dem aus der Theologie entliehenen Begriff „Lustration“ (6) bezeichnet wird. Die Auseinandersetzung mit den illegalen Machenschaften und Verstrickungen der vorherigen Regierung, die sehr wohl in der Diskussion war, der sich die wie auch immer rechts-konservativ gebärdende neue Regierung stellen müsste, ist jetzt weg vom Fenster. Mit den Verschwundenen, Hingerichteten, mit all den Leichen, die man während dieser Tage in den Wäldern fand und noch finden wird, wird man sich noch Jahrelang beschäftigen müssen. Jetzt aber hat die rechtsextreme Minderheit tatsächlich eine gute Chance, ihren antirussischen Chauvinismus empörten und erschrockenen BürgerInnen schmackhaft zu machen, alles andere sind Kollateralschäden der „nationalen Revolution“.

 

3.

Bezeichnend scheint mir das besagte Referendum auf der Krim auch in anderer Hinsicht. Schon klar, die Weltöffentlichkeit ist empört, die anständigen DemokratInnen waren sich für die Unterstützung das Krim-Referendums zu schade usw. usf., jedoch um mal die leidige Frage aufzuwerfen, ob ohne Putin aus der Ukraine ein faschistischer Staat geworden wäre oder nicht: es fanden sich unter den Wahlbeobachtern sehr illustre Herrschaften. Das geballte Ekel der rechtspopulistischen und offen faschistischen europäischen Parteien war anwesend und fand an der Trennung der Krim von der Ukraine interessanterweise nichts Verwerfliches. FPÖ, Forza Italia, Jobbik, Ataka, Vlaams Belang, polnische SPR, Plattform für Katalonien – die europäischen Faschos und Rechtspopulisten ließen ihre Kameraden vom Rechten Sektor außenpolitisch im Stich. (7)

 

Es ist hier nicht der richtige Ort, sich penibelst mit der Frage zu beschäftigen, worin denn der ukrainische Nationalismus bzw. Neonazinsmus besteht. Während der parlamentarische Arm der Bewegung, die Swoboda-Partei, ehemals die Sozial-Nationalistische Partei der Ukraine, wird gezwungen sein, in der Regierung zu huschen und sich in wenigstens an die rechts-konservative, aber eben nicht offen faschistische Parteien wie Fidesz anzupassen, gibt es noch den militanten Arm, den losen und schlecht koordinierten „Rechten Sektor“ und den Schläger-Trupp der Swoboda, „C14“. Es ist überhaupt noch ungewiss, was demnächst mit der Swoboda in der Regierung und im Parlament geschieht: entweder werden sie sich mäßigen (und damit wäre nicht gesagt, so was wie Fidesz oder Front National an der Macht wären irgendwie schön), oder – sie werden „gegangen“ und entsorgt, denn der völkische Nationalismus ist in der Ukraine in dieser Form nicht möglich, wollen die Herrschaften weitere territoriale Verluste nicht hinnehmen. Es ist allerdings anzunehmen, sehr lange werden sie, wie überhaupt die neue, am 25. Mai gewählte Regierung Poroschenkos, an der Macht nicht bleiben. Die Wirtschaft ist marode, wer auch immer da gewählt wird, zieht die Arschkarte, weil die Regierung die „neoliberale“ Agenda wird durchpeitschen müssen. Nach dem „Euromaidan“ wird das ohne Weiteres nicht mehr möglich sein. (24)

 

Der „Rechte Sektor“, in dem u.A. der paramilitärisch agierende Trupp UNA-UNSO aufgeht, gibt es indes immer noch, sie werden den „anständigeren“ PartnerInnen im Parlament ihren neoliberalen Wandel nicht verzeihen. Das sieht man bereits jetzt an den weiteren Versuchen, die Proteste gegen die Rada, und gegen die darin sitzenden Mitglieder der Swoboda anzustacheln. (8) Die Liquidation von Olexandr Musytschko aka Saschko Bilyj macht’s deutlich, in welche Richtung die Reise für viele „konservative Revolutionäre“ gehen wird: es ist die russischen 90er Jahre, auf fast forward durchgespult. Wer sich in einer wilden Zeit mit der Waffe in der Hand an der Umverteilung (sei es von Macht oder vom Reichtum) beteiligt, aber danach nicht einknicken will und somit die Stabilisierung des kapitalistischen Normalzustands stört, darf die Rädischen von unten anschauen. (9) Der ukrainische Staat kommt wieder zu sich und will sein Gewaltmonopol zurück. Die Ernennung Igor Grintsewitsch zum Chef der Kiewer Polizei signalisiert ganz deutlich, dass der neue alte ukrainische Staat zwar nicht auf faschistischen Bajonetten, aber sehr wohl auf Polizeiknüppeln im Rektum aufgebaut wird. (10)

 

Andererseits sollte man den „Rechten Sektor“ nicht zu früh abschreiben. Die „Kommunistische“ Partei der Ukraine z.B. meldete vor Kurzem, dass zwei von ihren Aktivisten in Volynien entführt und gefoltert wurden (11). Man sollte nicht davon ausgehen, dass die Gewalt gegen Linke und Maidan-Aktivisten jemals aufgehört hat oder aufhören wird. Sollte sich Russland irgendwann mal entschließen, auch andere Teile der Ukraine in Krim-Manier zu annektieren, wird der paramilitärische Trupp seine Erfahrungen aus den georgisch-ossetischen, tschetschenischen und transnistrischen Konflikten endlich wieder in der Praxis anwenden. Bzw. genau das passiert jetzt mit der ukrainischen Nationalgarde, wo viele Neonazis in den Reihen der regulären Sicherheitskräfte „ihre Heimat“ gegen die Separatisten verteidigen dürfen.

 

4.

Man weiß offensichtlich nichts mit Russland in diesem ganzen Schlamassel anzufangen: verhindert es gerade eine Installation eines vom Westen gelenkten faschistischen Staates, stoppt endlich Umgestaltung der Welt nach US-Amerikanischen Wünschen, ist Putin ein neuer Hitler und Krim sein Sudetenland? Oder eher Stalin und immerhin „Cпасибо, союзники!“, nicht wahr? Wir sind zwar in der Postmoderne und sie schlägt bekanntlich auf das Gehirn, aber irgendwo hat’s auch seine Grenze. Ich glaube, hier diese wahnhaften Projektionen eine nach der anderen nicht zerpflücken zu müssen. Dazu seien jedoch ein paar Worte gesagt.

 

Weder ist Russland eine sozialistische Republik, die die Revolution in die Welt exportiert, noch ist es faschistisch. Jedenfalls nicht faschistischer als Ungarn oder Kasachstan, denn die „souveräne Demokratie“ ist nicht besonders demokratisch, dafür aber sehr souverän. Begriffe wie Bonapartismus treffen die Sache vielleicht doch am ehesten: die Exekutive mit einem charismatischen Führer an der Spitze macht die Politik, die Bourgeoisie macht ihre Geschäfte und hält ihr Maul, das Pöbel wird um eine nationale Idee mobilisiert. Es ist ein kapitalistischer, chronisch kriselnder Staat, der permanent großrussischen Chauvinismus und neostalinistischen Revanchismus schürt und versucht, seine Untertanen so permanent auf Trab zu halten. Es ist ein Staat, der im großen Stile Ausgaben für Soziales und Bildung kürzt und die Gesellschaft klerikalisiert und militarisiert, sich gerne als Großmacht gebärdet, die die verhassten USA und die gottlose „sodomitische“ EU herausfordert. Die Krim-Annexion ist ein willkommener Anlass, diese Prozesse noch ein mal zu intensivieren. Es ist ein Staat, der vieles, wovon die ukrainische Swoboda bislang geträumt hat, längst verwirklicht hat – mit dem Unterschied, er wurde nicht von faschistischen Progrommobs kreiert, sondern kreierte sich seine Pogrommobs selbst. (12) Die aktuelle patriotische Berichtserstattung in Russland und der großrussische „Antifaschismus“ der „öffentlichen Meinung“ legen den Verdacht nahe, eine Epidemie des Rinderwahnsinns sei unter Menschen ausgebrochen. (13)

 

Wie dem auch sei, in absoluten Zahlen geht es der russischen Bevölkerung besser als der ukrainischen, das wird auch der Grund für Sympathien in der ost-ukrainischen Regionen oder auf der Krim für diesen unsäglichen Anschluss sein. (14) Jedoch perspektivisch ist es genau umgekehrt: die Reallöhne entwickeln sich in der Ukraine schneller, was vermutlich an den stärker entwickelten bürgerlichen Institutionen liegt. Das Schreckgespenst der „Orangenen Revolution“ ist zwar den Machthabern Russlands auch ein Begriff, der Block von Julia Timoschtschenko wurde mittels solcher Unruhen erstmals 2004 an die Macht gespült und das haben die ukrainischen Eliten nicht vergessen. (15) Außerdem sind die ukrainischen Eliten offensichtlich nicht fähig, sich zu konsolidieren, daher sind die sozialen Protesten und Arbeitskonflikte immer noch erfolgreicher als beim „großen slawischen Bruder“. Dies gelte es gegen diesen „Bruder“ zu verteidigen, mit den eigenen Nazis werden die UkrainerInnen, und die Leute, die sie damit nicht im Stich lassen und den antifaschistischen Kampf an Russland delegieren, selbst fertig. (16)

 

Eine sehr erfreuliche und zugleich dramatische Entwicklung ist der erstarkende Arbeitskampf der Bergleute und IndustriearbeiterInnen im Osten. Während das, was sich ukrainische Linke schimpft, Geldscheine mit „regierungsfeindlichen“ Beleidigungen beschmiert und zusammen mit russischen ChauvinistInnen im April linke Studenten jagt – ja, so sieht der „bewaffnete Untergrund“ der „Borot’ba“ aus (25), formiert sich langsam eine Streikwelle sowohl im Westen als auch im Osten. Es scheint, die führende Rolle wird von den Bergleuten im Osten gespielt, die im Grunde für den unitaristischen ukrainischen Staat eintreten (den es nicht mehr geben wird) und den Rückzug der ukrainischen Strafexpedition aus dem Osten sowie einen Stop der russischen Expansion fordern. Das stößt bei pro-russischen Separatisten auf wenig Begeisterung, können die Bergleute die gesamte Industrie des Landes lahmlegen (26), weswegen die streikenden Betriebe belagert und Gewerkschafter entführt werden. (27) Dass außerdem keine defensiven, wie z.B. die Lohnschulden bei der Belegschaft zu begleichen, sondern klare offensiven Forderungen gestellt werden, wie den Lohn ums Zweifache anzuheben, Arbeiterselbstverteidigungsmilizen (wie in Mariupol‘) zuzulassen, wobei der Dienst in den Milizen noch bezahlt werden soll, scheint angesichts der Umstände das einzig Anständige zu sein. Noch versuchen die NPGU und ihre Verbündeten so weit wie möglich politisch neutral zu bleiben und erwarten Abhilfe aus Kiew, es ist jedoch sehr gut möglich, dass die Umstände die Basisorganisationen über den reinen Trend-Unionismus hinaus treiben.

 

5.

Ich erlaube mir, eine historische Parallele zu ziehen, obwohl historische Parallelen sehr irreführend sein können. Ende des 18. Jhd. zerstückelten Russland, Österreich-Ungarn und Preußen, die versammelte europäische Reaktion also, den für damalige Verhältnisse durchaus progressiven Staat Rzeczpospolita. Jedenfalls beurteilte Marx die polnische Verfassung von 1791 als „das einzige vom Geiste der Freiheit durchdrungenes Dokument, dass Osteuropa inmitten der russisch-deutsch-österreichischen Barbarei von alleine hervorgebracht hatte“. Freilich, die heutige Ukraine ist nicht das damalige Polen-Litauen und ist wohl alles andere als „das osteuropäische Frankreich“ (17), die Weise jedoch, in der die Ukraine in den Gravitationsfeldern der EU und Russlands zerrissen wird, erinnert mich an die Situation auf jeden Fall. Mit jedem Stückchen Erde, dass sich der autoritäre, offiziell homophobe, soziale Konflikte mit härtesten Repressionen überziehende russische Staat (durchaus im Einvernehmen mit der BRD) sich aneignet, breitet sich die Reaktion in Europa aus. Dies einzusehen erfordert mitnichten einen Beitritt zum Klub der StaatsfreundInnen.

 

Oft hört man Somali-Vergleiche. Ich bin der Meinung, Somali wird das nicht, aber sehr wohl Jugoslawien. Ist das in der Ost-Ukraine noch eine groß angelegte polizeiliche Aktion oder ist es schon Krieg? Damals wollte man auch nicht glauben, dass ein multiethnischer Staat sich mitten in Europa jahrelang hätte zerfleischen können, nur damit es am Ende allen Beteiligten wirtschaftlich noch schlechter ginge. Wie Andrej Nikoloaidis in The Guardian schrieb: “The people in Bosnia were so full of optimism during the first days, even months, of war. Neighbours were saying that the west would never allow it to happen because ‚we are Europe‘. My aunt went to Belgrade, but refused to take her money from a Sarajevo bank. It will be over in a week; we’ll be back soon, she said. President Izetbegovic, in his TV address to the people, said: ‚Sleep peacefully: there will be no war.‘ Well, we woke up after a four-year nightmare“. (28)

 

So unlogisch das klingt, die Situation für soziale Kämpfe in der Ukraine ist so günstig wie nur selten. Nur wer vergreift sich an der schwächelnden Heimat in ihren schweren Stunden? Andersrum: wer trägt den Krieg nach Russland zurück? Es ist momentan niemand in Sicht, der dazu auch nur willig wäre. Der „Friedensmarsch“ am 15. März in Moskau mit etwa 40-50 Tausend Menschen mag vielleicht ein Zeichen sein, dass die Opposition am Bolotnaja Platz (der Name steht inzwischen für den „russischen Maidan“) immer noch sehr präsent ist und trotz Repression nicht aufgegeben hat. Aber es heißt auch nicht mehr als das.

 

6.

War die Annexion der Krim im März der erste Schritt zu einer offenen Konfrontation, gründeten sich wie aus dem Nichts bereits zwei „Volkrepubliken“ im Osten der Ukraine. Freilich sind die Donetsker und die Lugansker Volksrepubliken nicht einfach so aus dem Boden gestampft: pro-russisch ist nur ein teil der Bevölkerung, die anderen zeihen angesichts bewaffneter Rakets vor, das Maul zu halten, die neuen Regierenden werden entweder wie Alexander Borodai aus Moskau zugeschickt, oder sind Vertreter der hiesigen Oligarchenclans wie Oleg Zarjow, die „Volksmilizen“ rekrutieren sich aus Teilen der Berkut-Einheiten, der Polizei und organisierten Kriminalität. (33) Natürlich nicht ohne tatkräftige Unterstützung der Geheimdienste FSB und GRU wird da aus diesen Rakets ein Staat geboren: die DVR und LVR schlossen sich zu Noworossija zusammen. (34) Ob Russland Noworossija als Föderationssubjekt aufnimmt, ist (noch) ungewiss. Solange müssen die „Volksrepubliken“ eigene Staatlichkeit simulieren, Andersdenkende und Zivilbevölkerung allgemein terrorisieren und foltern, ekelhafte Verfassungen verabschieden, wo „Russische Welt“, „russisch-orthodoxer Glaube“, Homophobie und anderer Unfug festgeschrieben werden. (35)

 

Was ist tragischer – die Provokation am 2. Mai in Odessa, der 48 Menschen zu Opfer fielen, oder die andauernden Kämpfe in den abtrünnigen Provinzen? Die Frage, die ich nicht beantworten will. Fest steht nur noch eins: der Staat Ukraine wird wie Jugoslawien nie mehr wieder zusammenwachsen.

 

7.

Nun, die Lage ist heikel und sehr gefährlich, doch nach einer Wiederauflage des 1. Weltkriegs sieht es momentan nicht aus. Die Generalversammlung der UNO hat’s verkackt, nennen wir es beim Namen: die Mehrheit gehörte den Ländern, die sich bei der Annektion der Krim enthalten haben, das ist wohl deutlich genug. Momentan sind alle Parteien, die sich am Konflikt beteiligen (möchten), vorsichtig genug, es Moskau gleich zu tun und ein wenig mit den Waffen zu klirren. Selbst der ruinöser ukrainischer Staat zog seine letzten Kräfte von der Krim ab, was im Prinzip heißt, die Annektion ist selbst von der Ukraine so gut wie akzeptiert. Wahrlich, wenn der Staat Geld von Oligarchen und Bevölkerung schnorrt – in der Manier: „schick eine SMS und überweise fünf Grivna an unsere Armee“ (18) – lässt es erahnen, in was für einem Zustand der Staat und seine Armee sich befinden.

 

Berechtigterweise machen sich andere Nachbarn von Russland Sorgen: die baltischen Staaten bereiten sich auf ein mögliches Kriegsszenario vor (20), Polen sieht jetzt vor eigenen Toren wieder russische Panzer stehen und das kann man Polen nicht verübeln. (29) Eine internationale Brigade, wohl etwas abseits der unentschlossenen NATO, ist jedenfalls angepeilt. (30)

 

Was werden Deutschland, Polen oder Ungarn (31) für ihre Interessen in der Ukraine tun können, ist z.Z. schwer zu sagen. Ebenfalls ist nicht abzusehen, was mit der eh unsinnigen Republik Transnistrien passieren wird: man sammelt Unterschriften für einen Anschluss an die RF, was in Moskau bislang nur wohlwollend belächelt wird. (32) Dass die Ukraine den beiden Mächten, der EU und Russland, sehr teuer sowohl als Rohstofflieferant und Absatzmarkt als auch in geopolitischer Sicht ist, dessen kann man sich sicher sein. Es wäre immens wichtig, aufzuzeigen, wo die Interessen des deutschen Kapitals genau liegen und wie sie umgesetzt werden – der deutsche Staat hat seinen Drang nach Osten selten so offen ausgelebt. Allerdings nur an Stalinitis der Hirnhaut Erkrankten können sich mit dem russischen zu solidarisieren. Worauf es ankommt, ist die wenigen nicht ganz von der Vernunft verlassenen Linken und GewerkschafterInnen zu unterstützen, die sich dem Rechtsruck der gesamten Region entgegenstellen.

 

 

 

30.03.14/30.05.14

 

 

 

 

1) http://openleft.ru/?p=2350

2) Es ist nicht so, dass die Masche nicht längst bekannt ist und erprobt wurde: „Ach, es gibt auch noch Muslimbrüder in Ägypten?! Nee, das ist nicht der Communismus“.

3) Wie die Arbeit der neu entstehenden ukrainischen Regierung (https://dasgrossethier.wordpress.com/2014/02/25/burgerliche-revolution-und-die-diktatur-der-bourgeoisie-in-der-ukraine/), ein wunderbarer Unterricht in Sachen Rechtsnihilismus.

4) Am schönsten drückt diesen Wunsch nach einem Sozialstaat-Sozialismus der nicht unbekannte Oppositionelle Sergej Udaltsow von der „Linken Front“ aus, für den die Annexion der Krim einen Schritt zur Schaffung einer neuen UdSSR bedeutet. http://leftfront.ru/articles/436/ Zum Anderen sind das pro-putinsche Organisationen-Kadaver wie „Naschi“ oder „Sut‘ vremeni“, die die traurigen Demos „Für die Solidarität mit der Krim und gegen den (ukrainischen) Faschismus“ im März veranstalteten.

5) Oder mit so elenden Gegenden wie Transnistrien, das neulich auch zu Russland wollte.

6) http://en.wikipedia.org/wiki/Lustration

7) http://www.pravda.com.ua/news/2014/03/16/7018997/ http://nihilist.li/2014/03/16/evropejskie-natsisty-na-referendume-v-kry-mu/ Es ist wiederum nicht sehr verwunderlich, dass sich Mitglieder der KKE und der Linken zu den Herrschaften gesellten. Dass die Linke von einem gewissen Hikmat al Sabty vertreten wurde, passt hier wieder wie Faust aufs Auge. Außerdem wäre wichtig anzumerken, dass die südlich Pipeline nach Europa durch Bulgarien, Griechenland, Serbien, Italien, Ungarn und Österreich verlaufen sollte – Länder, wo der Rechtspopulismus stark ist und deren Regierungen pro-russisch sind: im ansonsten auch sehr lesenswerten Artikel: http://www.opendemocracy.net/od-russia/anton-shekhovtsov/kremlin%E2%80%99s-marriage-of-convenience-with-european-far-right

8) http://vz.ru/world/2014/3/28/679373.html

9) http://vz.ru/opinions/2014/3/26/678985.html

10) Grintsewitsch, ehemaliger Chef der Polizei im Schewtschenkowsky Bezirk machte sich einen Namen mit Misshandlungen und Folter (u.A. die inzwischen sprichwörtlichen Vergewaltigungen mittels Polizeiknüppel, es gab auch Misshandlungen, die tödlich ausgingen) und Rekrutierung von Schlägertrupps, die gegen die Maidan-Proteste eingesetzt waren. http://nihilist.li/2014/03/17/oblastnuyu-militsiyu-vozglavit-palach-iz-shevchenkovskogo-rovd/

11) http://www.komunist.com.ua/article/27/20579.htm

12) Ich empfehle an dieser Stelle ein kleines Büchlein von Stanislaw Makrelow „Eine Frage des Überlebens“ (Hrg. Ute Weinmann), falls sich jemand einen Einblick in das Funktionieren der russischen Staatlichkeit verschaffen möchte. http://utka.noblogs.org/buch-eine-frage-des-uberlebens/ Über die innigste Freundschaft der Repressionsapparate mit den Rechtsextremen wurde eh genug geschrieben.

13) Was sagt uns das Auftauchen und Pushen solcher Seiten wie predatel.net in Russland, auf denen bekannte „Liberale“ und AnnektionskritikerInnen als VerräterInnen (dafür steht eigentlich „predatel“) gebrandmarkt werden? Oder plötzlich der Begriff „Volksverräter“ wieder mal salonfähig wird?

14) Der Maidan ist sowohl eine Inszenierung als auch eine wirkliche politische Macht, die so genannte Opposition, die meint ab und zu so was Ähnliches inszenieren zu können, spielt insofern immer mit dem Feuer. Timoschtschenkos Block, der höchstwahrscheinlich im Mai gewählt wird, rüstet vermutlich mit Gesichtern wie Grintskewitsch dafür auf.

15) Merkwürdig ist nur, dass beim Referendum nur 97% für die Annektion stimmten, und nicht 146%.

16) Was lesenswertes dazu: http://peopleandnature.wordpress.com/2014/03/28/take-sides-with-people-not-with-putin/

17) Zit. nach W.A. Djakow, Marks, Engel’s i Pol’scha, 1989

18) http://kp.ua/daily/150314/443698/

http://lenta.ru/news/2014/03/27/mars/

20) http://lenta.ru/news/2014/03/26/more/

21) Russland hat sich nachhaltig auch solche berühmt-berüchtigten Projekte wie die Eurasische Union und die „Russische Welt“ vermasselt. Beides macht ohne die „slawischen Geschwister“ aus der Ukraine keinen Sinn: das Erstere wirtschaftlich und politisch, das Zweite – die „Russische Welt“, das nächste große Ding der erzkonservativen Kreml-Politologen nach der „souveränen Demokratie“ – ideologisch. Dazu kommt auch wachsendes Misstrauen der Partner in der Eurasischen Union, in deren Ländern viele ethnische Russen leben. Unter anderen weit führenden außenpolitischen Konsequenzen besonders schlimm ist die Verletzung des Budapester Abkommens von 1994, nach dem Russland die Integrität der Ukraine anerkannte und die Ukraine im Gegenzug auf die Atomwaffen verzichtete. Darauf, dass die Weltöffentlichkeit keine Garantien mehr geben kann, wird sich u.A. der Iran freuen. Die militärische Antwort auf die Osterweiterung der NATO wird ausgerechnet die kleineren Nachbarn Russland umso mehr ins feindliche Militärbündnis treiben. Die Kosten für wirtschaftliche Sanierung der Krim und womöglich der neuen Volksrepubliken sind für die stagnierende russische Wirtschaft kaum zu bewältigen. http://www.novayagazeta.ru/politics/63767.html

22) Das Imperium zerfällt und hält sich am Leben nur durch billige Tricks und den Export interner Probleme nach außen. Vermutlich das letzte, aber starke Mittel der Betäubung der Bevölkerung der RF wird der alte gute großrussische Chauvinismus sein, der von nun an aggressiv expandieren wird. Aber spätestens dann, wenn die Krim-Tataren als eine Art Trojanisches Pferd den Konflikt Moskau-Kazan‘ anfeuern, kommt das große Katern. Vgl. Wladimir Pastuchow: Russland auf dem Tripp: http://www.novayagazeta.ru/comments/63532.html Bis dahin kann man sicherlich UdSSR-sentimentale 1.Mai-Demos in Moskau abhalten und wieder mal auf die Krim statt in den Ägypten in den Urlaub zu fahren.

23) Es gab z.B. Ausschreitungen an der Grenze zur Krim, weil der Anführer der Krim-Tataren und Abgeordneter der ukrainischen Rada Mustafa Djemilew jetzt auf die Halbinsel nicht einreisen darf. http://www.novayagazeta.ru/news/1681651.html

24) Poroschenko fing seine Regierungszeit eh auf die dümmste Art und Weise: mit der intensiven militärischen Operation gegen die Separatisten im Osten, das wird ihm weder im Osten noch im Westen des Landes verziehen. Von den Resten der Maidan-Bewegung ist derzeit nicht viel zu erwarten, jedoch wollen sie die neue Regierung „im Auge behalten“ und den Platz nicht räumen: http://lenta.ru/news/2014/05/28/maidan/

25) https://www.facebook.com/photo.php?fbid=1020

2152341272819&set=a.1894359921519.2093755.1317205661&type=1 / http://avtonomia.net/2014/04/19/rasskazy-tryoh-ochevidtsev-o-napadenii-prorossijskih-aktivistov-na-storonnikov-majdana-v-harkove-13-aprelya/

26) Exportiert wird nur 5-7% der ukrainischen Kohl, alles andere geht an die Industrie des Landes. Der Maschinenbau macht seinerseits etwa 20-25% der Exporte der Ukraine aus: http://vz.ru/economy/2014/5/27/688748.html

27) So berichtet die Unabhängige Gewerkschaft der Bergleute der Ukraine (NPGU): http://npgu.net/slajder/768-mir-v-ukraine.html

28) http://www.theguardian.com/commentisfree/2014/mar/03/ukrainians-bosnian-eu-flag

29) http://www.federacja-anarchistyczna.pl/index.php/component/k2/item/894-drang-nach-osten-%C3%A0-la-pologne-czyli-o-nieuleczalno%C5%9Bci-kompleksow

30) http://www.lithuaniatribune.com/65381/revived-lithuanian-polish-and-ukrainian-brigade-to-be-based-in-lublin-201465381/

31) Es leben in der Ukraine etwa 160-200 000 Ungarn, für die Jobbik mal eine Autonomie fordert, mal aus dem „künstlichen“ Staat Ukraine retten will: http://www.pravda.com.ua/rus/news/2014/05/13/7025158/

32) http://www.novayagazeta.ru/politics/63548.html

33) Die Augenzeugen berichten Unsympathisches, was wieder die Analogie zu 90er-Jahren hervorruft: nur die organisierte Kriminalität übernimmt diesmal nicht die Staatsmacht, sondern schafft sich ihre eigene. http://avtonom.org/news/anarhist-iz-donecka-zayavlyat-o-sebe-v-antimaydanovskom-dvizhenii-kak-politicheskaya-sila-my-ne / http://avtonom.org/news/intervyu-s-anarhistom-posetivshim-lugansk

34) Und man hat Großes vor: es sollen noch weitere 6 ukrainische Gebiete folgen – auch auf dem Weg eines friedlichen Referendums, erst dann ist Noworossija komplett: http://novorossia.su/node/1798

35) Es soll zwar erst der rohe Entwurf sein, jedoch wohin die Reise geht, weiß man bereits jetzt: http://nihilist.li/2014/05/22/constitution-donetsk-people-s-republic-russian-nationalism-clericalism-capitalism-die-verfassung-der-volksrepublik-donezk-russischer-nationalismus-klerikalismus-und-kapitalismus/#deutsch Doch bevor jegliche Inhalte kommen, für jede neugeborene Souveränität steht Heraldik an erster Stelle.