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Weltwetter: Syrien bekommt nun Frieden

Die USA haben bekanntlich Frieden mit dem Iran geschlossen und dabei geopolitisch die Seiten gewechselt. Der ganze arabische Raum ordnet sich nun neu. Der Weltungeist fordert offenbar mehr Ruhe im Nahen Osten und so einigen sich diese einander feindlichen Mächte ein wenig. Insbesondere bekommt dadurch auch Irans Verbündeter Syrien Frieden. Die UNO hat ihn bereits perspektivisch anerkannt, die Russen untermalen ihn nun mit ihrem Militär und auch die USA geben grünes Licht. Die Israelis stimmen sich mit den Russen ab, um Militärunfälle zu vermeiden. Die Deutschen haben ihre symbolischen Patriots aus der Türkei abgezogen, die Flugverbotszone wird es nicht geben. Isis und Al Quaida werden besiegt. Die FSA bleibt was sie war: Ein Witz für die Seelenruhe von Menschenrechtsimperialisten. Jedenfalls bleibt Assad! Es wird viel Volk in Damaskus aufmarschieren und Assad in einer weiteren Wahl bestätigt werden. Rojava bekommt irgendeine Autonomie. Die Türkei ärgert sich und führt einen unsinnigen Krieg gegen die PKK. Und sie verliert ihn auch noch. Die Saudis ärgern sich und maschieren mit ihren Verbündeten im Jemen ein. Und sie verlieren auch. Israel macht gute Miene zum bösen Spiel. Nirgends wirklich mit dabei, nirgends verbrannt. Frankreich und England wundern sich über ihren außenpolitischen Fehlschlag in Syrien, aber der ist ja nicht so öffentlich. Deutschland ist fein raus, hat sich immer enthalten und kann jetzt authentisch für einen Frieden mit Assad werben und dabei auch die Saudis einbeziehen. Die ehrliche Maklerin und Ausgleichsapolitikerin Merkel. Es lebe der Kompromiss.

Die ganze Operation wird allerdings noch eine Weile dauern, aber das ist der Weltenplan für diese Region.

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Aus dem Fabriktagebuch von Simone Weil, 1935-1936

Die Erschöpfung lässt mich schließlich die wahren Gründe meines Aufenthaltes in der Fabrik vergessen, macht die stärkste Versuchung dieses Lebens fast unüberwindlich: nicht mehr denken, einziges Mittel, um nicht zu leiden. Nur am Samstagnachmittag und Sonntag kehren Erinnerungen zurück, Ideenstücke, erinnere ich mich, auch ein denkendes Wesen zu sein. Entsetzen erfasst mich, als ich meine Abhängigkeit von äußeren Umständen feststelle: es genügte, dass sie mir eines Tages eine Arbeit ohne wöchentlichen Ruhetag aufzwingen – was schließlich immer möglich ist –, und ich würde zu einem Lasttier, gehorsam und ergeben (wenigsten in meinen Augen). Allen das Gefühl der Brüderlichkeit, die Entrüstung angesichts des anderen zugefügten Unrechts bleiben – aber bis zu welchem Punkt widerstände all dies auf die Dauer? Ich bin nicht weit davon entfernt zu denken, dass das Seelenheil eines Arbeiters zuerst von seiner physischen Veranlagung abhängt. Ich sehe nicht, wie körperlich schwache vermeiden können, der Verzweiflung anheimzufallen – Saufen oder Vagabundieren, Verbrechen oder Ausschweifungen oder ganz einfach und häufigsten Abstumpfung (und die Religion?).

Die Revolte ist unmöglich, ausgenommen einige Blitze (und ich meine sogar das bloße Gefühl). Zunächst: wogegen? Man ist allein mit seiner Arbeit, man könnte nur gegen sie rebellieren – oder mit Ärger arbeiten, das hieße, schlecht arbeiten, folglich hungern. Siehe die lungenkranke Arbeiterin, die entlassen wurde, weil sie einen Auftrag schlecht ausgeführt hatte. Wir ähneln den Pferden, die sich selbst verwunden, sobald sie am Zaun zerren – und wir beugen uns. Man verliert sogar das Bewusstsein dieser Lage, man erleidet sie, das ist alles. Das Erwachen des Denkens ist schmerzhaft.

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Zeitunglesen im Bus

Wenn durch die dpa verlautbart wird, dass der SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann es wäre, der die Einreise-Entscheidung Merkels begrüße, mag das mit dem entscheidenden Zusatz, dass er das im Gegensatz zum CSU-Generalsekretär, Andreas Scheuer, konstatiert hätte, schon stimmen. Doch hat er das niemals als Antwort auf Andreas Scheuer formuliert. Erst die Anordnung der verschiedenen Stellungnahmen des Redakteurs lässt einen Satz wie diesen beinahe human erscheinen: „In einer so außergewöhnlich dramatischen Situation ist es absolut richtig, den Menschen erst einmal Zuflucht zu gewähren.“ Das ganze Dilemma der Politik, das wesentlich Krisenverwaltung ist, steckt nicht zwischen den Zeilen, auch nicht zwischen den Wörtern, sondern einzig und allein im Partikel einmal. Großzügig gewährt irgendetwas irgendjemand zumindest temporär Zuflucht (und keinen Schutz). Und dort wo von den Menschen, sowie den Proletariern gesprochen wurde, war noch nie anderes als tätschelnde Verwaltung zu erwarten. Und wer tätschelt, weiß damit nur unter Beweis zu stellen, auch zuschlagen zu können. Sofern die Situation von Flüchtlingen auch weiterhin von solchen Leuten abhängig ist, bleibt sie prekär.