von ndejra (erschienen in der April-Ausgabe der GaiDao)
Manchmal überkommt eine*n das Gefühl, linke Knastliteratur – Erinnerungen, Tagebücher, wissenschaftliche Abhandlungen und Ähnliches – hat wieder Konjunktur. Die Welt ist so anders geworden seit den Zeiten als Leute wie Peter Kropotkin, Alexander Bergman oder Wera Figner über ihr Leben hinter Gittern berichteten, als Warlam Schalamow und Alexander Solschenizyn die GULag-Hölle für kommende Generationen beschrieben haben. Natürlich hat der Staat, „ein unermesslicher Friedhof“, wie ihn Bakunin bezeichnete, nie aufgehört, mit seinem Repressionsapparat Leben und Körper der Delinquent*innen zuzurichten und zu zermalmen. Manchmal wird die alltägliche Repression nur spürbarer, manchmal gelingt es jemandem sie nur besonders eindrucksvoll zu schildern.
So gelang es z.B. dem belarusischen Anarchisten Mikola Dziadok in seinem kleinen Büchlein. Es ist nicht „brandneu“, es muss, wenn ich mich nicht täusche, bereits 2017 oder Anfang 2018 erschienen sein. Dziadoks Buch führt gewissermaßen die Erzählung fort, die mit dem Ihar Alinevichs Bericht aus dem Minsker Untersuchungshaft „Auf dem Weg nach Magadan“ begonnen wurde (siehe die Besprechung in GaiDao Nr. 82, Oktober 2017). Beide kamen 2010/2011 infolge der Wahlproteste unter die Räder der belarusischen Staatsmaschine, beide (und einige andere Anarchist*innenen und Liberale) haben nach Farce-Prozessen hohe Gefängnisstrafen bekommen. Ihar bekam damals 8 Jahre und Mikola 4,5 Jahre des „strengen Regimes“, dem Letzteren hat man die Strafe später um ein Jahr noch verlängert. Beide wurden frühzeitig entlassen. Wie Dziadok in einem Interview 2015 erklärte, das passierte nur, weil Belarus, das oft als die „letzte Diktatur Europas“ bezeichnet wird, immer noch die sowjetische Staatssymbolik beibehält und dessen Geheimdienst immer noch KGB heißt, versucht, auf den Spannungen zwischen der EU, den USA und Russland zu spielen und gewisse Liberalisierungen im Inneren demonstrieren musste. Weiterlesen