1

Das „Unsichtbare Kommittee“: zehn Jahre später

Vor zehn Jahren ist eine denkwürdige Debatte über das seinerzeit berühmte Buch „Der kommende Aufstand“ geführt worden, und zwar mit einer Bitterkeit, wie man sie in den Kreisen der äussersten Linken seit dem Irak-Krieg nicht mehr gesehen hatte. Importiert hat man Argumentation und Frontverlauf natürlich aus der Premium-Presse. Die FAZ, die sich schon damals Leute hielt, die berufsmässig linke Bücher gutfanden, fand es gut; die Süddeutsche, und deren Anhang, über die taz, die jungle world bis zur Bahamas, fands ganz schlimm. Beide begründeten ihrem Klientel ihr jeweiliges Urteil nicht mit einer wirklichen Auseinandersetzung, sondern mit einem pauschalen Vergleich mit „Schmitt, Jünger und Heidegger“, die auch niemand gelesen hatte.

Das war nachweisbarer Unsinn, aber genauso lief die Debatte natürlich auch in „unseren“ Kreisen. Der Gegenstand gab das zwar überhaupt nicht her, aber um so dreister muss man fälschen. Das können unsere kritischen Leute alle gut; so gut, dass es ihnen selbst nicht mehr auffällt. Es gab auch natürlich die, die das Buch gut und lehrreich fanden. Die sagten nicht viel in der Debatte; die hatten keinen Platz darin, die waren auch nicht vorgesehen mehr, die Debatte wurde überhaupt nur dazu geführt, sie öffentlich abzuurteilen und sie unmöglich zu machen. So war die Debatte immer etwas einseitig natürlich, obwohl sie zwei Parteien durchaus hatte; so wie eine Hinrichtung. Mit dem Grossen Thier hat das alles auch etwas zu tun: die glatte Art, wie der Unsinn überall durchging, war für uns Anfang 2011 der unmittelbare Anlass, das Grosse Thier zu gründen. Mir ist beim Aufräumen die zugegeben sehr kurze Äusserung dazu in die Hände gefallen (Heft O/Tiger, Seite e):

Das Buch vom „kommenden Aufstand“ ist auf mehr als eine Weise zu kritisieren, und keine davon ist in Deutschland versucht worden. Man müsste etwa ihre These beim Wort nehmen, dass die Gesellschaft nicht mehr existiert; dem entgegensetzen, dass das Geld, das sie zusammenhält, aber so wohl existiert als der Souverain; und dann die Eigenart dieser bürgerlichen Gesellschaft erörtern: dass sie die erste ist, die Gesellschaft heissen kann, und doch nicht anders existiert als durch die Abwesenheit von Gesellschaft; dann historisch nachzeichnen, wie die revolutionäre Linke seit den Jakobinern schwankte dazwischen, diese Gesellschaft zu stürzen, und sie erst noch recht zu gründen, und wie zuletzt durch die Hereinnahme des Proletariats in den Volksstaat die Gesellschaft tatsächlich faktisch errichtet und gleichzeitig zerstört wurde; wovon die weiteren Entwicklung zum Nationalsozialismus zeugt. Von hier aus würde sichtbar, wie wenig das Buch über die Gesellschaft zu sagen weiss, und wie sehr es den Wünschen derer entspricht, die es so genau gar nicht wissen wollen. Dass sie bewusstlos in den alten Widersprüchen der Linken sich verstricken, und nicht einmal die Kraft besitzen, vom schmalen Grat eines Begriffs, wenn sie denn einmal einen fassen, nach der einen oder nach der anderern Seite hinunterzustürzen; und dass ihre zerfahrene Analyse nicht besser wird dadurch, dass sie in der fortschreitenden Zerstörung krampfhaft nach Chancen suchen; das alles hätte man ja zeigen können. Man hat es bleiben lassen, und statt die direkte Konfrontation mit ihnen zu suchen, hat man sie ihrem jämmerlichem Ruhm überlassen, den man niemandem wünschen möchte; welche Konfrontation sie durchaus verdient hätten als welche, die allen Ernstes versuchen, die Postmoderne aufzuheben mit den Mitteln der Postmoderne. Und niemals wird irgendjemand verstehen, dass man nicht ihnen geschadet hat durch die Weigerung, ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lasen, sondern sich selbst.

So abstrakt ging es damals beim Thier zu. Natürlich waren unsere Sympathien auf deren Seite, die mit dem Buch etwas sinnvolles anfangen zu können glaubte; auch wenn wir da nicht dazu gehörten. Aber es waren immerhin die Leute, die nicht logen und nicht fälschten. Man ist zusammen eine ganze Strecke gegangen seither. Alle Dinge haben ein Ende aber. Nur manche Sachen sind geblieben wie am Anfang, und nicht die besten.

Ich glaube mittlerweile ernsthaft, dass es eine Konstante in der ganzen Debatte gibt, bis heute: man hat keine rechte Idee, was die Gesellschaft eigentlich ist. Und ich glaube, dass dieser Mangel damals auf beiden Seiten dieser Debatte in völlig gleicher Art bestanden hat. Die ganze Debatte war wirklich so vergeblich und ärgerlich, wie man das damals dachte.

Die Bevölkerung einander Fremder, in deren Mitte wir leben, als »Gesellschaft« zu bezeichnen, stellt einen derartigen Betrug dar, dass sich sogar die Soziologen überlegen, sich von einem Konzept zu verabschieden, das ein Jahrhundert lang ihr Broterwerb war.

So ähnlich heissts in dem „Kommenden Aufstand“ irgendwo am Anfang des zweiten Kapitels, den Rest des Buchs wird alles genau ausgeführt, was nach Meinung der Autoren von den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen im Sterben liegt, und weiter heissts natürlich:

Es wäre Zeitverschwendung, alles genau aufzuführen, was von den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen im Sterben liegt. … In Wirklichkeit ist die Zersetzung aller gesellschaftlichen Formen ein Glücksfall.

Und über das letzte Element, über die Zutat des eigenen Willens wurde dann so gestritten: nämlich ob das wirklich ein Glücksfall ist oder nicht. Und nicht etwa darüber, ob das wirklich stattfindet oder nicht: darüber waren sich scheints alle einig. Obwohl grade das der Fehler war. In der Sache waren sich alle einig. Ich fürchte, das ist alles, was man über die Debatte wissen muss.

Natürlich ist die Gesellschaft ein Haufen von Leuten, die einander und dem Ganzen fremd sind. Aber das war von Anfang an so. Das ist nicht das Ergebnis eines Zerfalls der Gesellschaft. Sondern der ist eine Illusion, den man sich von Carl Schmitt einerseits, vom alten Horkheimer andererseits einreden hat lassen.

Dieses Missverständnis, was die Gesellschaft ist, produziert ein Missverständnis darüber, was man selbst ist. Als ob man sie von aussen betrachtet; aber das tun alle. Sie hat kein inneres, kein sie zusammenhaltendes Prinzip. Der Verstand muss vermuten, sie hätte eines gehabt, und es sei ihr abhanden gekommen. Deswegen nennen wir den Verstand auch Ideologie.

Man kann dann Leninist oder Situationist, oder beides gleichzeitig, werden; mit jeder Hirnhälfte einen anderen Aspekt der mit sich selbst zerfallnen Gesellschaft verstehen; dass sie nämlich eine Vielheit ohne Einheit, und dass sie Einheit ohne Vielheit ist; und über das Verstehen den Verstand restlich verlieren, und auch den Gegenstand. Aber auch wenn man dem entkommt: irgendwann holts einen ein.

Vor zehn Jahren, war das ganz zufällig nicht in der letzten Groß-Krise? Jetzt haben wir die nächste. Schauen wir zurück, was alle Debatte seitdem gebracht hat. Gar nichts? Gut möglich. Was hätte sich denn tun sollen? Das kommt drauf an. Nämlich auf den wirklichen Verlauf der Dinge, und was für eine Rolle die von solchen Debatten Faszinierten da überhaupt zu spielen hätten. Ob es also irgendeine Rolle spielt, was die Linke der Linken denn so denkt oder tut. Wenn nein, kann man sich das auch ein bisschen sparen. Wenn ja, will begründet sein, wie das. Sehen wir uns den wirklichen Verlauf das nächste Mal an.

 

 

Aufruf: Dezentraler 1. Mai

Wir geben hier folgenden Aufruf aus Würzburg bekannt:

Dezentraler 1.Mai

Die Krise heißt Kapitalismus – solidarisch und gemeinsam für eine befreite Gesellschaft

Der 1. Mai wird anders als die Jahre zuvor. In Zeiten einer Pandemie ist das auch notwendig.

Während der DGB alle 1. Mai Kundgebungen abgesagt hat, sind wir der Meinung, dass wir trotz oder gerade wegen der Veränderungen durch Covid-19 am 1. Mai unseren Protest und unsere Wut gegen die herrschenden Verhältnisse zum Ausdruck bringen müssen. Jedoch halten auch wir klassische Großdemonstrationen in der momentanen Lage nicht für sinnvoll.

Deshalb heraus zum dezentralen 1. Mai!

Es gibt viele Wege unsere Forderung nach Überwindung des kapitalistischen Systems zum Ausdruck zu bringen. Das gilt auch in Zeiten von Covid-19. Bildet Kleingruppen, tragt Mundschutz, Handschuhe und seid kreativ. Bereitet Transparente, Plakate oder Aktionen mit euren Forderungen zum internationalen Arbeiter_innenkampftag vor und bringt sie um den 1. Mai an öffentlichen Orten an. Dokumentiert eure Aktionen und veröffentlicht sie, entweder selbst unter #m1wue2020 oder schickt sie an ldbu@riseup.net.

Schützt euch und andere, indem ihr die Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen einhaltet, damit wir schnellstmöglich unseren Unmut wieder zusammen und organisiert auf die Straße tragen können.

Die Revolution ist großartig, alles andere ist Quark! ~ Rosa Luxemburg

Der Kapitalismus ist in einer ökonomischen Krise, die zwar durch die Pandemie verstärkt wird, jedoch liegt der Ursprung der Krise im kapitalistischen System selbst. Aktuell leben wir in einem System, welches zwar unendlich viel Reichtum produziert, aber zugleich auch unendlich viel Armut. Weltweit sehen wir Probleme, die von einem nationalstaatlich organisierten Wirtschaftssystem nicht mehr gelöst werden können. Dies wird in der Krise immer deutlicher.

Alles, was wir bis jetzt in der Corona-Phase erlebt haben, hat und wird massive Spuren hinterlassen: Kurzarbeit, Verlängerung von Arbeitszeiten, Ausgangsbeschränkungen, Abbau von Mitbestimmungsrechten. Die gesamte Klasse der Lohnabhängigen ist betroffen, ob in der Metall- und Elektroindustrie oder im Einzelhandel, in der Gastronomie oder der Spedition, in der Pflege oder dem öffentlichen Dienst. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Krise auf dem Rücken der Lohnabhängigen ausgetragen wird.

In kurzen Abschnitten versuchen wir dazulegen, wie und warum uns dieses System an einem guten Leben für alle hindert.

++Krank ist das System!++

In unseren Krankenhäusern sorgen Fallpauschalen schon seit geraumer Zeit für eine profit- statt bedarfsorientiere Gesundheitsversorgung. Die Probleme waren vor der Krise die gleichen wie jetzt.
Der Personalmangel im Gesundheitswesen kann nicht bestritten werden. Die (neo)liberale Antwort war die letzten Jahre stets der Verweis auf eine angebliche Überkapazität an Betten und Krankenhausstandorten. Durch Schließungen von Krankenhäusern und Reduzierung der Bettenzahlen sei es möglich die anfallenden Arbeiten mit dem vorhandenen Personal zu bewältigen. Es wäre doch auch genau so aberwitzig, die Feuerwehr nur für tatsächlich gelöschte Brände zu entlohnen.

Durch die Pandemie verschob sich diese Debatte. Was vorher noch das größte Problem des Kranhauswesen war, ist heute ein wichtiges Argument für die „Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitswesens“.

Die Krise macht deutlich, dass Krankenhäuser eine gesellschaftliche Infrastruktur darstellen, die in Krisenfällen ausreichend Kapazitäten in der Hinterhand halten muss. Diese Kapazitäten können im Nicht-Krisenmodus natürlich nur zum Teil genutzt werden und sind damit nicht rentabel.

Die Gesundheitsversorgung als lebensnotwendiger Bereich darf nicht den Konkurrenz- und Gewinnabsichten des kapitalistischen Markts untergeordnet sein! Für einen sofortigen Stopp und die Rücknahme jeglicher Privatisierung im Gesundheitsbereich! Für eine faire Bezahlung und gute Arbeitsbedinungen aller Beschäftigten! Gesundheit ist keine Ware – gleiche medizinische Versorgung für alle, unabhängig von Einkommen und Vermögen!

++Mietstreik jetzt!++

In der jetzigen Situation zeigt sich deutlich, dass sich die Lebensumstände der Menschen stark unterscheiden. Wer genügend Platz zum Wohnen hat, dem fällt es leichter, sich an Ausgangsbeschränkungen zu halten. Aber die Menschen, die gezwungen sind auf engstem Raum zusammen zu leben, treffen die Veränderungen deutlich härter.

Der Anteil unseres Verdienstes, den wir für Miete aufbringen müssen, steigt immer weiter.

Die Ausgangsbeschränkungen vergrößern dieses Problem, da viele Menschen nicht in der Lage sind, Geld zu verdienen. Die Änderungen im Mietrecht beheben dieses Problem nicht, sie verschieben es nur.
Zwar darf jetzt für 3 Monate keine Kündigung wegen Mietschulden ausgesprochen werden, zahlen sollen wir trotzdem, es wird uns lediglich etwas mehr Zeit gegeben. Es kann nicht sein, dass die am Existenzminimum Lebenden nach der Covid-19 Pandemie vor einem kaum zu bewältigenden Schuldenhaufen stehen.

Keine Profite mit der Miete! Wohnraum vergesellschaften!

Sammelunterkünfte auflösenund durch die Beschlagnahmung von Leerstand, Hotelzimmern und Ferienwohnungen Wohnraum schaffen. Auch Wohnungslose und Geflüchtete brauchen menschenwürdigen Wohnraum und müssen sich wirksam vor Ansteckung schützen können. Auch Wohnen darf als grundlegendes menschliches Bedürfnis nicht den Regeln des Markts überlassen werden!

++Unsere Rechte wurden erkämpft, nicht erbettelt!++

Seit über 130 Jahren gilt der 1. Mai international als Kampftag der Arbeiter_innenklasse.

Dieser Tag steht wie kein anderer für den grenzüberschreitenden Kampf unserer Klasse, für die Durchsetzung ihrer gemeinsamen gesellschaftlichen Interessen.

Das Kapital greift uns immer wieder an. Bisherige Siege werden auch 100 Jahre später verteidigt und wieder erkämpft werden müssen. Wenn sie den 12-Stunden-Tag in der aktuellen Krise einführen, dann zeigen sie damit auch, dass wir nicht stillhalten dürfen, denn das, was wir erreicht haben, wird uns wieder aus den Händen gerissen!

++Grenzen öffnen – Geflüchtete aufnehmen jetzt!++

Der menschenfeindliche Umgang mit Flüchtenden insbesondere an den EU-Außengrenzen darf nicht im Schatten von Covid-19 übersehen werden. Ganz im Gegenteil spitzt das Virus die Situation für die Betroffenen immer weiter zu:
Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung oder Hunger sind immer, aber aufgrund der Covid-19 Pandemie besonders, in Gefahr.

In den Lagern auf den griechischen Inseln sind 40.000 Menschen einer immer schlimmer werdenden, unmenschlichen Situation ausgesetzt und ungeschützt der Covid-19 Pandemie ausgeliefert. Diese Lager sind an sich eine permanente Menschenrechtsverletzung. Hier wird Menschen in gewaltvollster Form der Zugang zu Grundrechten wie Bewegungsfreiheit, körperliche Unversehrtheit und das Recht auf menschenwürdiges Wohnen verweigert!

Für die sofortige Evakuierung aller Lager und die dezentrale Unterbringung aller Menschen in Not! Öffnet die Grenzen für Menschen auf der Flucht!

++Hoch die internationale Solidarität!++

Die internationale Konkurrenz und die weltgesellschaftlichen Ungleichheiten seit Ende des Zweiten Weltkriegs führen zu immer schnelleren und repressiveren Verhältnissen weltweit, in denen das globale Kapital und die Länder des Nordens die südliche Welt immer mehr ausbeuten.

Das im Jahr 2019 erstmals mehr als 70 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht waren, hängt maßgeblich mit der neokolonialen Ausbeutung des globalen Südens zusammen, an dem sich auch Deutschland rege beteiligt.

Um im internationalen Konkurrenzkampf zwischen den Ländern der kapitalistischen Zentren nicht von anderen Staaten ausgebootet zu werden, haben geopolitische Interessen im Sinne der deutschen Banken und Konzerne stets Vorrang vor Menschenrechten, Selbstbestimmung oder nachhaltiger Entwicklung.

Ein konkretes Beispiel hierfür stellen die deutschen Waffenexporte dar. Waffen aus Deutschland sind bei Kriegen in aller Welt im Einsatz, 2019 wurden erstmals Waffen für mehr als 8 Milliarden Euro exportiert, unter anderem in Länder wie Ägypten oder die Vereinigten Arabischen Emirate, die beide unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.

Unser Kampf gegen diese Verhältnisse muss auch deshalb ein internationaler Kampf sein! Wir sind solidarisch mit den unterdrückten Klassen weltweit!

Wir sind solidarisch mit den weltweiten sozialen Kämpfen, ob mit der Revolution in Rojava, den sozialen und feministischen Kämpfen in Chile, den Kämpfen gegen die neoliberale Rentenreform in Frankreich oder den vielen weiteren widerständigen Bewegungen auf der gesamten Welt!

Sind wir solidarisch, indem wir hier und jetzt dem deutschen Imperialismus und seinen Verbündeten in den Rücken fallen!

War starts here – lets stop it here!

++Nieder mit dem Patriachat!++

Es ist nicht überraschend wieder einmal festzustellen, dass die Politik es nicht wahrnimmt auf wessen Schultern die momentane Krise am meisten lastet. Ob es darum geht in Kurzarbeit zu gehen, ob es um Pflege oder Homeschooling, Haushalt oder Kinderbespaßung geht: Frauen leisten den Großteil der Arbeit und diese zum Großteil unbezahlt – Sowohl im Normalzustand als auch in der Krise. Sie sind die Ersten, die vom Arbeitsplatz nach Hause geschickt werden und die Ersten, die zuhause bleiben müssen, wenn Kindergärten und Grundschulen geschlossen bleiben.

Hinzu kommen die schrecklichen Berichte über häusliche Gewalt. In Deutschland wird alle 2 Tage eine Frau von ihrem Partner oder Expartner getötet; es gibt nicht genug Anlaufstellen; nicht genug Plätze in Frauenhäusern und keine Garantie, dass der Partner zur Rechenschafft gezogen wird. Die Mysogenie geht soweit, dass von Beziehungsdrama statt Mord berichtet wird.

Bei Schwangerschaftsabbrüchen ist die Rede viel zu oft von Mord, ohne zu überlegen, wie das Überleben oder die Zukunft der ungewollt Schwangeren aufs Spiel gesetzt werden. Niemand will einen Abbruch hinauszögern, wenn ein Fötus heranwächst, aber sie haben keine Wahl. Sie haben nicht die Wahl ihre Familien verhungern zu lassen, sie haben nicht die Wahl ihre Kinder im Stich zu lassen und sie haben nicht die Wahl genauso zurückzuschlagen – vielleicht haben sie das in einzelnen Situationen, aber es geht um die Mehrheit, die von der Politik im Stich gelassen wird.

Wir fordern Selbstbestimmung, Entlohnung der täglich geleisteten körperlichen und psychischen Arbeit und das Einsehen einer patriarchalen Politik, die nichts von den Werten der Gleichheit verinnerlicht hat!

++System change, not climate change!++

Warum möchten wir dem 1. Mai, dem internationalen Arbeiter_innenkampftag auch eine Komponente der Ökologie hinzufügen?

Denn es ist nicht nur der Mensch, auch als Humankapital bezeichnet, der durch den Kapitalismus fortwährend ausgebeutet wird, sondern auch die Natur, mit ihrer noch nicht gänzlich beschrieben Artenvielfalt und Diversität an Ökosystemen, die durch facettenreiche Wechselbeziehungen ein Leben auf der Erde erst ermöglicht, wird durch das Kapital zu einer verwertbaren natürlichen Ressource degradiert und in einem Maße ausgebeutet das die planetaren Grenzen überschreitet.

Unsere derzeitige Art zu wirtschaften ist perspektivlos und selbstzerstörerisch. Dabei findet das kapitalistische System global unterschiedliche Ausprägungen, von Gesellschaften der Ungleichheit bis hin zu stark rechts- und sozialstaatlichen Systemen. Allerdings liegt allen diesen Formen die Maxime des Maximalprofits und dem ewigen Wachstum, durch Ausbeutung von Mensch und Umwelt, zu Grunde. Dies ist nur äußerst schwer mit ökologischen Zielen und unmöglich mit dem Reichtum für alle vereinbar.
Denn ein unendliches Wachstum auf Basis endlicher Ressourcen kann es nicht geben.
Welche dramatischen Folgen die voranschreitende Zerstörung natürlicher Lebensräume haben kann wird nicht zuletzt durch die aktuelle Covid-19 Pandemie deutlich. Denn der Covid-Virus ist nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern reiht sich zusammen mit dem menschengemachten Klimawandel und dem menschliche bedingten Artensterben als Konsequenz der Wachstumsorientierten und zerstörerischen Produktionslogik des Kapitalismus ein.
Menschen und Umwelt müssen vor Profitmaximierung stehen. Wer glaubt, aus dem schlechten Kapitalismus mit Hilfe von „Lobbyregistern“, „demokratischen Banken“ und „Gemeinwohlpunkten“ eine gute Marktwirtschaft machen zu können, muss scheitern.

Das Gute Leben für alle ist erreichbar. Aber nur, wenn wir über den Tellerrand von Markt und Kapital hinausschauen und neue Wege einer bedürfnisgerechten Produktion gehen.

Fight every Crisis — United behind the Science — Enteignung for Future — Strike for Future — System Change, not Climate Change

++Deshalb heraus zum 1. Mai!++

Wir sind nicht bereit dabei zuzusehen, wie die ganze Welt im Chaos versinkt und immer mehr Menschen für die Interessen einiger weniger verelenden. Die Politik der herrschenden Klasse wird ihr eigener Untergang sein. Sie werden ihre Politik nicht ändern, weil wir sie darum bitten. Uns muss klar sein, dass Veränderung mit diesem Staat und in diesem System nicht möglich ist. Es gilt einen klaren Trennungsstrich zwischen denjenigen zu ziehen, die alles opfern werden für ihre eigenen Interessen und uns, die in internationaler Verbundenheit mit den Unterdrückten und Ausgebeuteten dieser Welt kämpfen werden.

Die heutigen Probleme lassen sich nicht lösen, ohne das Fundament umzuwerfen, auf dem sie aufbauen. Die ökonomische Basis der globalen Ungerechtigkeit ist die Aufteilung in eine besitzende Klasse, die das Privateigentum an Produktionsmitteln in den Händen hält und eine lohnabhängige, arbeitende Klasse, die Wert schafft, der sich von der besitzenden Klasse angeeignet wird.

Für die soziale Revolution!

Finde den Fehler

Castorf: Wenn das Robert Koch-Institut klar sagen könnte, dass wir ohne drakonische Maßnahmen in wenigen Wochen 600.000 bis 1,5 Millionen Tote hätten, würde ich sofort einsehen, dass wir einen Ausnahmezustand haben. Aber angesichts der jetzigen Sterblichkeitsrate und der Zahl von bisher weniger als 6000 Corona-Toten sage ich: Es ist immer traurig, wenn ein Mensch stirbt, auch ein alter Mensch. Aber es ist der Lauf der Dinge, den wir akzeptieren müssen. Wir sind mit dem Tod geboren, das ist eine philosophische Plattitüde.

Auch zum „Lauf der Dinge, die wir akzeptieren müssen“, gehört: wer derartige Logik schwingt, verdient, für einen Narren gehalten zu werden.

Man muss nicht das Robert-Koch-Institut sein, um sagen zu können, dass „wir“ bei ungebremster Verbreitung leicht die von Castorf genannte Zahl von Opfern allein im April hätten haben können (und mehr, nämlich im Prinzip Letalitätsrate mal Gesamtbevölkerung.). Weil „wir“ sie nicht haben, sondern nur 6.000, sind die „drakonischen Massnahmen“, die diese Wirkung haben, überflüssig; so räsonieren Narren.

Sowas kommt von sowas:

Das rechtsoffene Portal „KenFM“ ist mit einem Videoteam gekommen, der ehemalige Journalist und Erdogan-Unterstützer Martin Lejeune und der Rechtsextremist Nikolai Nerling, der sich „Volkslehrer“ nennt, drehen auch Videos. …Ihr Slogan: „Wir sind die Opposition“. Hinter dem Verein stehen der Autor und Journalist (u.a. „taz“ und „Welt“) Anselm Lenz, der Autor und ehemalige Volksbühnenbesetzer Hendrik Sodenkamp und die Aktivistin Batseba N’Diaye. Die drei gehörten zum sogenannten „Haus Bartleby“.

2

Gegendarstellung: Lob der Partei

Dem Grossen Thier ist ein entsetzlicher Fehler unterlaufen, für den es an dieser Stelle öffentlich um Entschuldigung bitten möchte. Wir haben, Monate ist das jetzt her, eine abscheuliche Eselei zugeschickt bekommen: eine dummdreist zusammengestümperte Rechtfertigungsschrift für ausgerechnet die DKP, die abgestandenste Sekte auf dem reaktionären Flügel der Linken.

Was noch viel schlimmer war: die Redaktion kam zu der Ansicht, der Verfasser des Textes sei Jakob Hayner, allseits geschätzter Autor und Mitherausgeber der Zeitschrift „Kunst, Spektakel, Revolution“.

Aber das schlimmste ist: ein Redakteur des Thier, von dem wir uns mittlerweile getrennt haben, hat den Text für gut befunden und auf den Blog gestellt. Dort steht es nun; wir haben vorläufig den angeblichen Verfassernamen als „H.“ abgekürzt.

Sehen wir uns den Schaden einmal genau an, ob so etwas wirklich von Jakob Hayner geschrieben sein kann.

Jeder kämpft ja auf dem verlorenen Posten, auf dem man nun einmal ist – so gut oder schlecht es eben geht. …Und wäre man ehrlicher, wüsste man auch, dass das alles gar nicht so schlimm ist. Ebenso wie die DKP.

Wenn man „das alles“, zu dem die DKP gehört, für schlimm hält, ist man also unehrlich: Das sagt H. so. Was will man da noch sagen? Bei einem Missgeschöpf wie der DKP lässt sich zum Glück allerhand sagen.

Die DKP wurde gegründet im Jahr des Einmarschs der fünf Armeen in Prag. In dem Jahr, da sich für alle Welt endgültig zeigte, dass es von dem „Sozialismus“ zum Sozialismus einen gangbaren Weg nicht gibt. Ich sage nicht: einen friedlichen, geraden etc., sondern: einen gangbaren.

Gerade die gesellschaftlichen Kräfte, die einen Weg von der Realität dieser Systeme, die sich ja fast schulterzuckend den real existierenden Sozialismus nannten, zu einer funktionierenden sozialistischen Demokratie zu gehen und erzwingen in der Lage gewesen wären, gerade diese Kräfte wandten sich in der Zeit unwiderbringlich von ihm ab, nämlich die Arbeiterschaft.

Diese späteste Ursache des Scheiterns dieses Sozialismus begeht die DKP durch ihre Neukonstituierung 1968 feierlich. Konnte das niemand wissen? Aber man hat es gewusst, und man hat es ihr gesagt. Die DKP ist schon zu Anfang hart und berechtigt kritisiert worden, nicht nur wegen ihrer Unterwürfigkeit gegen das DDR-Bonzenwesen und ihren Pseudo-Marxismus, sondern wegen des ausgesprochenen Spaltertums, dass in ihrer Gründung selbst lag; die ja auch weniger aus Verhandlungen der Arbeiterschaft, als aus Verhandlungen zweier deutscher Regierungen hervorging.

Die APO hatte immer einen KPD-Flügel gehabt, und es war nicht immer leicht mit diesem, aber mit seiner Verselbständigung war sie nicht mehr zusammenzuhalten. Um so mehr, als die neue Partei die maoistischen Elemente der illegalen KPD nicht zu integrieren in der Lage war, und sie als ebenfalls selbständige Sekten freisetzte.

Jede dieser Sekten hatte, die DKP voran, irgendeinem ausländischen Despotat und Vaterland der Werktätigen den Lehnseid geschworen, wie es der Brauch; eine irrer als die andre; und alles zusammengenommen machte der ganze St.Veits-Tanz ein Gespött aus der Linken, wie sie es besser nicht gekonnt hätten, wenn man sie bezahlt hätte.

Wenn man „ehrlicher“ wäre, hätte man, so H., an alledem eigentlich nichts auszusetzen. Ausserdem, es

kämpften und kämpfen in dieser Partei, wie in nahezu jeder anderen Politsekte auch, ein revisionistischer mit einem weniger revisionistischen Flügel, wobei es sich versteht, dass der vernünftige, also nicht revisionistische Flügel grundsätzlich in der Minderheit blieb.

Es hat freilich, wovon H. allerdings ahnungslos ist, schon früher Leute gegeben, die die DKP insgesamt eine revisionistische Partei genannt haben. Und zwar nicht nur die Trotzkisten und Maoisten, sondern auch solche, die gar keiner Sekte angehören, aber bei ihren Sachen sich gerne auf Marx beziehen statt auf irgendeine selbstverfertigte Theorie wie die des sog. Monopolkapitalismus, der antimonopolistischen Demoratie und andere schön ausgedachten Dinge mehr.

Diese Ahnungslosigkeit ist aber nicht gelernt, sondern naturwüchsig. Er begreift es aufrichtig nicht, wie man die Lehren der Klassiker so leicht missachten kann, wie wir es tun, ja wie man direkt sagen kann: die Lehren der leninistischen Klassiker, das ist der Revisionismus.

Ehrlicherweise muss man auch sagen: Mehr war wohl zu der Zeit nicht drin.

sagt H. stattdessen zu alledem. Mehr als eine Pseudo-Partei mit einem Pseudo-Marxismus als Parteidoktrin zu gründen? Zu gütig. Ja, wenn man in so unrevolutionären Zeiten wie 1968 lebt! Es blieb einem schier nichts anderes übrig. Zu was für Dingen müsste man sich dann heute erst gezwungen sehen, „ehrlicherweise“!

Nämlich

Die bundesdeutsche Gesellschaft erwies sich im Kern als reaktionärer als es die Ereignisse um 1967 nahelegen mochten

Rly? Die bundesdeutsche Gesellschaft hat sich damals in Wahrheit grundlegend verändert, namentlich ihre Arbeiterklasse. Zu schade, dass das den guten Leuten von der DKP völlig entgehen musste, die damals im FDJ-Blauhemd herumstolzierten. Wer war den reaktionärer als wer? Wenn man natürlich die DKP, die von der DDR ausgehaltene Scheinpartei, zum Mass nimmt, wie unbegreiflich reaktionär von den westdeutschen Arbeitern, dieser nicht in Strömen zugelaufen zu sein!

Von woher kamen denn dieser reaktionären Gesellschaft diese „Ereignisse“? H. scheint sich auf die uralte Selbsttäuschung der westberliner Studenten Studenten und ihresgleichen überall im Land zu verlegen, dass sie, die Studenten, mit ihren Umzügen auf der Strasse „68“ gemacht hätten. Nichts davon ist wahr. Sie waren nicht die Welle, sie waren der Schaum, der sich auf ihrem Kamm kräuselte. Die Welle aber hatte ihre Basis tief in der Gesellschaft, die H. für so reaktionär hält, und sie hatte sie tief aufgewühlt und umgegraben. War nicht umgekehrt gemessen daran die DKP jedenfalls reaktionärer als die Gesellschaft? Wir denken so.

Erst die Alternativen machten dann offensiv ihren Frieden…riefen zu den …»Schwitzhändchenketten« (Wolfgang Pohrt) für den Frieden auf, an denen sich dann auch die von Bedeutungslosigkeit bedrohte DKP beteiligte. In Zeiten der Reaktion bleibt niemand von Dummheiten verschont

Man zitiert den bei uns beliebten Pohrt immer dann, wenn man lügen will. „Erst die Alternativen“, und die DKP musste sich dann notgedrungen fügen. Nun, es war glatt umgekehrt. Die DKP und ihre Freunde von der „stalino-christlichen Allianz“, wie das Debord nannte, haben dem Wort „Frieden“ einen faulen Klang gemacht, indem sie es zur sowjetischen Propaganda-Phrase herunterbrachten. Eine Friedensbewegung, die sich für die Atomwaffen der Sowjetunion und den afghanischen Krieg unzuständig erklärte; und die jede Solidarität mit der oppositionellen Friedensbewegung des Ostens ablehnte. Mit einem wohlplatzierten gehässigen Pohrt-Zitat lässt sich von der Verlogenheit dieser DKP-geführten Bewegung gut ablenken, gerade indem man sie zu attackieren scheint; man muss nur unter dem Knall und Qualm geschwind so tun, als hätte die DKP mit der Sache eigentlich nichts zu tun. Es steht Pohrt drauf, also wirds stimmen. Es ist ja auch der späte Pohrt, von dem H. und andere den unerträglich besserwisserisch abwiegelnden Ton her haben, dieses „wenn man mal ganz ehrlich ist, ist das doch alles nicht so schlimm“; ein eristischer Kniff, den ich H. dringend empfehle, auch einmal vor Live-Publikum auszuprobieren.

notorischer Danebenlieger wie Trotzki, Bakunin und Pannekoeck

Wir freuen uns auf die Liste der Nicht-Danebenliegenden Sozialistischen Klassiker, die H. uns sicher dereinst zur Kenntnis bringen wird. Wird Enver Hoça dazugehören? Oder Pol Pot? Es gibt sogar in diesem infamen Textchen wenig, was infamer ist als das Wörtchen „Danebenlieger“. So viel Einverständnis mit dem Weltlauf. Aber wird H. dann fairerweise darauf verzichten, sich mit Zitaten Walter Benjamins zu schmücken? Oh ganz sicher nicht. Dazu macht Benjamin einfach zuviel her.

Das Geschwafel von der demokratischen Mehrheit, dem Dutschke in einem schwachen Moment verfallen war, obwohl er es besser wusste, hilft sicher nicht weiter

Dutschke ist dem nicht in einem schwachen Moment verfallen, Dutschke ist aus der DDR abgehauen, und wenn er so etwas hätte haben wollen, was H. wohl Sozialismus nennt, dann wär er vielleicht gleich da geblieben. Man muss seine Ansichten nicht teilen, aber ihm andichten, er hätte es besser gewusst, das geht vom verlognen ins unverschämte.

Aber wer den Genossen aus den falschen Gründen an den Kragen will, um sie letztlich mit demokratischen Mehrheiten belehren zu wollen, erledigt objektiv das Geschäft unserer Feinde

Nun, ich weiss nicht, H., ob es dir aufgefallen ist, aber schon wenn man die Reden, die du selbst führst, ernst nimmt, kann man nur zu dem Schluss kommen: es wäre in der Tat nötig, sehr gründlich das Geschäft eurer Feinde zu erledigen. Genau diesem Klima der aufgeblasenen Dummheit und Verlogenheit, in dem du dich so wohl fühlst, haben wir in der Tat an den Kragen zu gehen. Klassenfeind, wie dein lieber Ernst Busch sang, bleibt Klassenfeind.

Urteilen Sie selbst, meine Damen und Herren, ob dieses stumpfe Geschwätz wirklich von dem bekannten Kunstredakteur und Kritiker Jakob Hayner stammen kann, oder ob wir Opfer eines abgefeimten Betrugs geworden sind!