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Ein paar Lektionen in Revolutionstheorie

Ein paar Lektionen in Theorie und Praxis von Revolutionen auf einer recht neuen und recht kritischen Seite. Schlechte Aussichten offenbar für eine iranische Revolution!

Den tatsächlichen Revolutionen voraus gehen üblicherweise Manifeste, Programme, Flugblätter, Internetseiten, Exil- und Untergrundparteien, mehrere Anläufe (oft über 10 oder 20 Jahre), inhaftierte FührerInnen, Bündnisse und Zerwürfnisse, kurz, allerlei Programmatik und Organisiererei.

„Üblicherweise“ gehört also zur Revolution neben (selbstverständlich) der Internetseite auch die Partei im Exil und im Untergrund und ihre Spaltungen, d.h. also „üblicherweise“ etwas wie die Bolschewiki, die 1905 und 1917 von der Revolution nichts geahnt hatten und hektisch versuchten, den Ereignissen hinterherzukommen, um sie sodann unter Kontrolle zu bekommen. Woraus selbstverständlich zwanglos folgt, dass die Bolschewiki dadurch die Revolution gemacht haben.

Nun wird kein Mensch bestreiten, dass Dinge nicht vom Himmel fallen, also auch die iranische Revolution eine Vorbereitung braucht. Nur, bloss weil man dieses Jahr zum ersten Mal vom Iran gehört hat, muss man nicht denken, es hätte dort alles auch erst dieses Jahr angefangen. Rechnet man seit den Studentenunruhen 1999, kommt man durchaus auf die anvisierten 20 Jahre. Dazwischen gab es ja schon auch noch was. Woher weiss der Kritiker, dass es da nicht Flugblätter, inhaftierte Anführer und alle diese schönen Dinge gegeben haben soll? Woher, als aus dem eigenen Unwissen?

solange es noch nicht einmal eine Idee gibt, was an ihre Stelle treten soll, geschweige denn eine Bewegung, die dieser Idee verpflichtet wäre, wird es keine Revolution im Iran, noch irgendwo sonst geben.

Solche eine Idee hat es niemals und nirgends gegeben ausser in den Köpfen von Intellektuellen, die sich zum Priestertum des Fortschritts berufen fühlten und notfalls, mit der Geste grössten Bedauerns, auch bereit waren, abzuschneiden, was zur „Idee“ nicht passen wollte. Vor solchen „Ideen“ und ihren Idealisten ist der wirklichen Bewegung nach Kräften abzuraten.

Eine Revolution entsteht nicht spontan, sondern hat in allen bekannten Fällen eine lange bewusstseinsbildende Arbeit vorausgesetzt, und einen bewussten Kampf gegen den Strom der gesellschaftlichen Ideologie. „Spontane“ Revolutionen haben wir in Libyen und Syrien gesehen

Eine Revolution entsteht „in allen bekannten Fällen“ nicht spontan. Spontan entstandene Revolutionen enden nicht gut. Discuss.

Das einzige, was in unserer Epoche spontan entsteht, sind der Islamismus und Pegida. Dies sind die einzigen Gedankenformen, zu denen es keine bewusste Reflexion braucht, sondern die sich aus den objektiven Zerfallsprozessen selbst ergeben.

Echt jetzt? Der Islamismus entsteht spontan? Das hätte man mal Imam Khomeini und seinen Leuten sagen sollen, die hätten sich viel Arbeit sparen können. Und dann auch noch aus dem Zerfall! Ist das wie bei Aristoteles, wo Mäuse „spontan“ aus dem Schlamm entstehen?

Es gibt also, lernen wir, Bewusstseinsformen, die der Reflexion bedürfen, und solche, die ihr nicht bedürfen, das heisst also, die naturwüchsig entstehen. Die Reflexion entsteht dagegen wohl nicht naturwüchsig, sondern durch Zusatz des Heiligen Geistes, d.h. der Intellektuellenarbeit. Wie gut, dass wir die Intellektuellen haben, die uns aus dem Schmutz erretten und, wie es bei Lenin heisst, Klassenbewusstsein in die Klasse tragen, die zu solchen „spontan“ gar nicht fähig ist!

Angesichts der Vielfalt der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Probleme ist klar, dass nur ein sozialistisches Programm überhaupt in der Lage ist, eine Alternative auch nur zu formulieren

Ein sozialistisches Programm bzw. „nur ein sozialistisches Programm“ ist natürlich in der Lage, diese Probleme zu lösen, weil wir ja aus 100 Jahren Revolutionsgeschichte wissen, wie gut solche Programme solche Probleme lösen. Wieso nicht gleich ein Fünfjahresplan!

Es ist wirklich erstaunlich, wie geschwind den Leuten aus der Krisis und der Bahamas zusammengebettelte Phrasen von der Hand gehen, und wie gut die zusammenpassen mit dem plattesten Leninismus.

Man sollte vielleicht mal wieder drauf hinweisen: das Buch „Der Theoretiker ist der Wert“, Freiburg 2000, ist immer noch lieferbar, eignet sich hervorragend auch für studentische Lesekreise und ist, wie sich zeigt, anscheinend immer noch aktuell. Wirds wohl auch bleiben. Das Geschwätz von der Partei, die das Bewusstsein irgendwohin tragen muss, ist nämlich anscheinend etwas, das auch „in unserer Epoche“ immer wieder „spontan entsteht“.

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Dahlmann: „Das Rätsel der Macht“ erschienen

Soeben erscheint das letzte Buch Manfred Dahlmanns zu Lebzeiten.

Im Anhang des Bandes befindet sich unser kleiner Text „Das Zeitalter des Poststrukturalismus“.

Es ist eine Ehre und Freude, unseren kleiner Text so gewürdigt zu sehen. Dahlmann schrieb mir damals, als ich ihm den Text schickte, sinngemäss, so könne man es auch machen.

Mit dieser Antwort konnte ich damals nicht so richtig was anfangen, u.a. weil mein lieber Freund und Kollege Micha K. sich just damals mit dem Gedanken trug, eine Pfuscherfibel für Heimwerker namens „So gehts schon auch“ herauszugeben. Dass es anscheinend anerkennend gemeint war, weiss ich eigentlich erst seit jetzt.